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© dpa

Opposition gegen Ahmadinedschad: Hunderttausende protestieren im Iran

Ex-Präsident Rafsandschani fordert die Freilassung aller Oppositionellen. Der unterlegene Kandidat Mussawi wird auf den Straßen gefeiert.

Irans früherer Präsident Haschemi Rafsandschani hat das Freitagsgebet in Teheran genutzt, um den Umgang der Regierung mit den Protesten im Land scharf zu kritisieren. Vor zehntausenden Anhängern des bei der Wahl am 12. Juni offiziell unterlegenen Kandidaten Mir-Hossein Mussawi forderte der einflussreiche Geistliche die Freilassung aller inhaftierten Demonstranten und Oppositionspolitiker. Sie im Gefängnis festzuhalten, sei „nicht nötig“, sagte er auf dem Campus der Teheraner Universität, wo das zentrale Freitagsgebet des Iran abgehalten wird. Gleichzeitig rief er zu einer offenen Debatte über die umstrittene Wahl auf, um das im Volk verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen.

Als erster führender Politiker seines Landes charakterisierte Rafsandschani die Unruhen der vergangenen Wochen offen als Krise – und sprach von einem tiefen Riss innerhalb des schiitischen Klerus. Außerdem verlangte er, die Pressezensur zu lockern. Die internationalen Medien unterliegen bei ihrer Arbeit seit Wochen strengen Auflagen.

Rafsandschani gilt unter den Geistlichen als einer der mächtigsten Unterstützer der Opposition und als entschiedener Gegner von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, der dem Freitagsgebet ebenso wie der Oberste Religionsführer Ali Chamenei fernblieb. Stattdessen saß Mussawi unter den Zuhörern. Es war sein erster öffentlicher Auftritt seit Wochen. Erstmals seit längerer Zeit hatten sich zuvor auch hunderttausende Anhänger des Reformkandidaten in den Straßen um das Gelände der Universität versammelt. Sie forderten den Rücktritt Ahmadinedschads, die Freilassung aller politischen Gefangenen und feierten Mussawi. Anders als sonst wurde das Freitagsgebet nicht vom staatlichen Fernsehen live übertragen, sondern lediglich im Radio.

Rafsandschani rief in seiner Predigt die Iraner zur Einheit auf. Es gebe Zweifel an den Ergebnissen und diese müssten ausgeräumt werden, erklärte er. Der Wächterrat habe eine Chance gehabt, die Menschen zu einen und ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Die Chance sei aber „nicht richtig wahrgenommen“ worden, sagte der Vorsitzende des 86-köpfigen Expertenrates, der das Recht hat, den Obersten Religionsführer abzusetzen. Das Publikum unterbrach die Rede immer wieder mit Rufen wie „Freiheit, Freiheit“, während Tränengasschwaden in die Halle hereinwehten. Der andere unterlegene Präsidentschaftskandidat, der Reformpolitiker Mehdi Karroubi, wurde nach Berichten von Augenzeugen auf dem Weg zum Versammlungsort von Anhängern des Regimes attackiert. Die Frauenrechtlerin Schadi Sadr wurde nach Angaben der Internetseite Mussawis von regierungstreuen Milizionären verschleppt.

Nach der Veranstaltung kam es nahe der Universität, aber auch auf mehreren Plätzen der Innenstadt zu Kundgebungen der Opposition. Nach Augenzeugenberichten machte sich auch eine größere Menschenmenge auf in Richtung Evin- Gefängnis, wo die meisten verhafteten Demonstranten und Oppositionspolitiker festgehalten werden. Hier griff die Polizei zunächst nicht ein.

Kanzlerin Angela Merkel forderte vom Regime in Teheran die Einhaltung der Menschenrechte: „Gebt den Menschen die Möglichkeit, frei die Meinung auszudrücken, friedlich zu demonstrieren.“

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