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Politik: Orange bangt um die Mehrheit

Wahlen in der Ukraine könnten ein Patt ergeben

Kiew - Eine unerwartet deutlich Niederlage hat die Partei von Viktor Juschtschenko bei den ukrainischen Parlamentswahlen hinnehmen müssen. Für seine mit Premier Juri Jechanurow als Spitzenkandidat in den Wahlkampf gezogene „Unsere Ukraine“ (NU) stimmten laut ersten Nachwahlbefragungen lediglich 13,5 Prozent. Stärkste Partei wird mit 33,3 Prozent künftig die russlandfreundliche Partei der Regionen (PdR) des früheren Premierministers Viktor Janukowitsch, der einstige Widersacher von Juschtschenko während der orangenen Revolution vor 16 Monaten.

Bitter für den Staatschef ist auch das überraschend gute Abschneiden seiner einstigen Weggefährtin Julia Timoschenko: Der Wahlblock (BJUT) der von ihm im Herbst als Premierministerin entlassenen Ikone der orangenen Revolution wird mit 22,7 Prozent künftig die zweitstärkste Kraft im Parlament.

Außer den mit der NU bislang in einer Minderheitskoalition verbundenen Sozialisten (5,3 Prozent) haben auch die mit der PdR sympathisierenden Kommunisten den Wiedereinzug ins Parlament geschafft, mussten jedoch mit 3,4 Prozent erneut starke Einbußen hinnehmen. Laut den ersten Prognosen ist auch den Sowjet-Tradionalisten des Block Natalia Vitrenko mit 3,3 Prozent der Sprung über die Drei-Prozent-Hürde geglückt. Der Parlamentseinzug ist hingegen offenbar dem Volksblock von Parlamentspräsident Wolodymyr Litwin genauso missglückt wie dem Wahlbündnis des früheren Box-Weltmeisters Vitali Klitschko, das klar an der Drei-Prozent-Hürde scheiterte.

Präsident Juschtschenko hatte nach seiner Stimmabgabe am Sonntag noch für den heutigen Montag erste Sondierungsgespräche zur Wiederauflage der im Herbst geplatzten Koalition zwischen den früheren Verbündeten der „orangenen Revolution“ angekündigt. Doch ihren Führungsanspruch wird sich Timoschenko bei einer eventuellen Neu-Auflage einer orangenen Revolution von seiner NU kaum mehr streitig machen lassen. Unklar ist auch noch, ob die zerstrittenen Reformparteien tatsächlich über eine rechnerische Mehrheit verfügen werden: Mit dem offiziellen Endergebnis wird erst am Montag gerechnet.

Da weder das westorientierte orange Lager noch die eher nach Moskau orientierten Parteien über eine deutliche Mehrheit verfügen, halten Politologen in Kiew eine große Koalition der PdR mit der NU nach wie vor für eine durchaus denkbare Lösung. Eine mühsame Koalitionssuche scheint angesichts der unklaren Mehrheitsverhältnisse programmiert: Möglicherweise wird das Minderheitskabinett von Premier Jechanurow noch bis zur parlamentarischen Sommerpause kommissarisch im Amt bleiben. Zwischenfälle wurden beim ersten Urnengang seit der orangenen Revolution kaum vermeldet.

Thomas Roser

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