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Politik: Oranier-Proteste: Nach dem Ende der Gewalt ringt der Orden um seine Einheit

Kilometer von Stacheldraht sind wieder eingerollt, Betonwürfel wurden auf Militärlastern weggekarrt: Zum Morgengrauen begann die britische Armee am Freitag mit dem Abbau ihrer Befestigungsanlagen in der nordirischen Stadt Portadown. Wassergräben wurden zugeschüttet, Stahlschranken entfernt.

Kilometer von Stacheldraht sind wieder eingerollt, Betonwürfel wurden auf Militärlastern weggekarrt: Zum Morgengrauen begann die britische Armee am Freitag mit dem Abbau ihrer Befestigungsanlagen in der nordirischen Stadt Portadown. Wassergräben wurden zugeschüttet, Stahlschranken entfernt. Soldaten fegten jenen Straßenabschnitt rein, wo sich die Trümmer nächtlicher Gefechte an der riesigen Stahlbarriere angesammelt hatten. Die Sicherheitskräfte wollen bis auf weiteres bleiben, aber die Verschanzungen rings ums Katholikenviertel sind nicht mehr nötig.

Zwei Wochen lang hatten die Proteste des protestantischen Oranier-Ordens gegen die Sperrung ihrer gewünschten Paraden-Route gedauert, doch die allnächtlichen Krawalle in ganz Nordirland kosteten den Orden viele Sympathien. Seit Mittwoch ist es ruhig geworden. Am Donnerstag abend meldete sich der Großmeister des Ordens, Robert Saulters, in den nordirischen Medien zu Wort: Er forderte ein sofortiges Ende aller Proteste; es sei Zeit zur Reflexion. Die starre Konfrontationspolitik der lokalen Oranier-Loge in Portadown habe nicht auf Absprachen mit der zentralen Führung beruht, sagte Saulters, denn die Brüder in Portadown hätten seit einem Jahr eigene Berater und spielten ihr eigenes Spiel. Davon hätten die Leute jetzt genug.

Saulters ist ein freundlicher Mann, der schon in früheren Jahren gelegentlich versöhnliche Bemerkungen machte, nur um von seinen eigenen Hardlinern zum Widerruf gezwungen zu werden. Diesmal allerdings, so scheint es, drückte der Großmeister die Meinung einer Mehrheit des Oranier-Ordens aus. Selbst die Politiker von Pfarrer Ian Paisleys militanter Protestantenpartei hielten sich diesmal auffällig im Hintergrund, anstatt ihre Solidarität mit den Protesten, wie sonst üblich, auch persönlich zu bekunden.

Die Kritik an der - vom Orden in Portadown herbeigerufenen - paramilitärischen Straßengewalt kommt inzwischen aus allen Ecken des protestantischen Lagers, doch die dortigen Oranier bleiben uneinsichtig. Kaum hatte Saulters seinen Appell formuliert, wurde er auch schon zurückgewiesen. Der Sprecher der Portadown-Loge, David Jones, rief zu neuen "sporadischen" Protesten für Freitag nachmittag auf. Trotzig bekräftigte er seine Absicht, die Mahnwache bei der Pfarrkirche von Drumcree aufrechtzuerhalten, bis die Parade wunschgemäß beendet werden könne. Die Oranier waren 1997 letztmals durchs Katholikenviertel von Portadown marschiert.

In Zeitungskolumnen und Rundfunksendungen wird inzwischen heftig darüber debattiert, ob der Oranier-Orden dieses Jahr sein letztes Gefecht geschlagen habe. Doch umstrittene Paraden werden noch lange ein Zankapfel bleiben, denn sie drücken - wie kaum etwas anderes - die Überlappungen zwischen Territorium, nationaler Symbolik und Religion aus. Sie sind damit ein Seismograph der Beziehungen zwischen den Konfessionsgruppen. Der Umstand, dass dieses Jahr eben nicht Zehntausende von Bürgern auf die Straße gingen, wird als Indiz der schrittweisen Entspannung interpretiert.

Martin Alioth

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