zum Hauptinhalt

Politik: Ordnungsruf

CDU-Finanzexperte Meister sieht Schaden wegen Röslers Griechenland-Attacke

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Bevor Michael Meister als CDU- Abgeordneter in den Bundestag einzog, war er Mathematiker. So einer fühlt sich Zahlen und logischen Zusammenhängen verpflichtet, er schwätzt nicht eitel herum. Meister sitzt jetzt seit vielen Jahren im Bundestag, ist sozusagen der oberste Finanzpolitiker der Union und er gilt als besonnener Analytiker, man vertraut ihm.

Am Donnerstag ist Meister jedoch deutlich geworden. Für seine Verhältnisse sogar sehr deutlich. Die „leichtfertige Debatte“ von einer geordneten Insolvenz für Griechenland oder gar deren Rausschmiss aus der Euro-Zone, womit Meister zweifellos Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) meinte, sei „brandgefährlich“, sagt er. Weil sie erstens „nicht zu Ende gedacht“ sei. Und zweitens bereits „immensen Schaden an den Finanzmärkten angerichtet“ habe. Er könne es wohl verstehen, gibt Meister zu, wenn ein Parteichef unter immensem Druck stehe und es populär erscheine, Leute mit scheinbar einfachen Lösungen von Insolvenz oder Rausschmiss an die Wahlurne zu locken. Doch aus „Lebenserfahrung“ rät der 50-jährige Meister dem 38-jährigen Rösler, dass man „langfristig“ keine politischen Erfolge erzielen könne, wenn man auf „kurzfristige“ Stimmungen reagiert.

Womit Meister den ersten Teil seiner Botschaft gesandt hat: Ganz gleich, ob Philipp Rösler mit seinem Hinweis recht hat, dass man auch über eine Insolvenz der Griechen nachdenken muss, oder nicht. Wenn sich ein Regierungsmitglied, noch dazu der Stellvertreter der Kanzlerin, in einer international hochbrisanten Situation offen über die Insolvenz eines um sein Überleben kämpfenden Partners Gedanken öffentlich macht, dann kann so etwas leicht eine ganz eigene Dynamik entfalten. Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung von der Pleite Griechenlands, die erst Realität wird, nachdem alle über sie geredet haben. Deutlicher kann man die Kompetenz eines Bundeswirtschaftsministers nicht infrage stellen.

Zur Redlichkeit, findet Meister jedenfalls, gehört es aber auch zu sagen, dass man natürlich über die Frage einer Staatspleite auf europäischer Ebene längst nachdenkt und an Lösungen arbeitet. Intensiver sogar, als der Eindruck in der Öffentlichkeit dazu ist. Längst wird etwa darüber nachgedacht, was passiert, wenn die Troika, die gerade in Griechenland die Reformerfolge prüft, bis Ende September zu dem Ergebnis kommt, dass Athen seine Auflagen nicht erfüllt hat. Soll man dann trotzdem eine weitere Tranche der Euro-Hilfsmittel aus dem ersten Griechenland-Hilfspaket auszahlen? Würde die Frage mit Nein beantwortet, müsste Griechenland in eine Insolvenz gehen. Nur werde die alles andere als „geordnet“ ablaufen. Meister: „Wenn das Feuer größer wird, müssen sich die anderen mit einem Schutzwall schützen.“ Womit der EU-Rettungsfonds EFSF gemeint ist, über den der Bundestag Ende September abstimmt. Dieser Fonds könnte im griechischen Insolvenzfall anderen Ländern Kredite geben, damit die etwa ihre Banken vor den Folgen einer Griechenland- Pleite schützen können.

Eine richtige EU-Insolvenzordnung wird es aber erst mit dem dauerhaften Rettungsfonds ESM geben, der von 2013 an wirksam werden soll und über den der Bundestag Mitte Dezember abstimmen muss. In den europäischen Verträgen zum ESM ist bereits in groben Zügen vermerkt, wie im Fall einer Staatsinsolvenz die Entschuldung und die wirtschaftliche Restrukturierung zu erfolgen haben. Erst 2013 wird eine Insolvenz Griechenlands „geordnet“ ablaufen können – und nicht chaotisch. Antje Sirleschtov

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false