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Wie man seine Spendebereitschaft erklären kann: Der Organspendeausweis.

© dpa

Organspenden: Schwindendes Vertrauen

Nach den Skandalen des vergangenen Jahres ist die Zahl der Organspenden in Deutschland auf einen Tiefststand gesunken. Nun soll es mehr staatliche Kontrolle geben.

Die Organspendebereitschaft der Deutschen ist so gering wie nie zuvor. Nach den im Vorjahr bekannt gewordenen Manipulationen bei der Organvergabe ging die Spenderzahl im ersten Quartal dieses Jahres weiter zurück. Sie sank um 18,1 Prozent auf 230 Organspenden – und erreichte damit im Quartalsvergleich den tiefsten Stand seit Beginn der Statistik vor 18 Jahren. Die Zahl der entnommenen Organe verringerte sich in den ersten drei Monaten um 12,9 Prozent. Sie betrug nur noch 797. Vor drei Jahren waren es fast 300 mehr.

Damit setzt sich der Negativtrend des vergangenen Jahres fort. Im Skandaljahr 2012 verringerte sich die Spenderzahl im Jahresvergleich bereits um 12,8 Prozent. Die Deutsche Stiftung Organstransplantation (DSO) nannte dies „dramatisch“ und „besorgniserregend“. Nur noch 1046 Menschen konnten nach ihrem Tod Organe entnommen werden, insgesamt waren es 3511. Gleichzeitig warteten in den Krankenhäusern hierzulande gut 12 000 todkranke Patienten auf lebensrettende Spenderorgane, ein Großteil davon vergeblich.

Für das gestiegene Misstrauen der Bevölkerung sind jedoch nicht allein die auffällig gewordenen Transplantationszentren in Leipzig, Göttingen, Regensburg und München und deren fehlende Kontrolle verantwortlich. Als Institution, die für den korrekten Ablauf der Organspenden in Deutschland verantwortlich ist, sorgte zuletzt auch die DSO selbst für gehörige Verunsicherung. Der Vorwurf von Vettern- und Misswirtschaft in ihren Reihen wog schwer und konnte auch per Gutachten nicht ausgeräumt werden.

Um nicht nur Negatives verkünden zu müssen, präsentierte die Stiftung deshalb am Mittwoch zu den deprimierenden Zahlen auch ihre eigenen Pläne, verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen. So sollen Bund und Länder künftig mit vier von zwölf stimmberechtigten Mitgliedern im Stiftungsrat einen „deutlich stärkeren Einfluss“ auf die Arbeit der DSO erhalten, kündigte der neue Interims-Vorstand Rainer Hess an. Des Weiteren würden die Befugnisse dieses Gremiums gegenüber dem DSO-Vorstand „wesentlich gestärkt“, indem es nun etwa auch den jährlichen Wirtschaftsplan zu genehmigen habe. Außerdem werde der Fachbeirat stärker medizinisch ausgerichtet und auf die Durchsetzung einheitlicher Standards in allen sieben DSO-Regionen und ihren jeweiligen Transplantationszentren verpflichtet. Die fehlende Einheitlichkeit bei den Arbeitsbedingungen wie bei den Kriterien der Organentnahme sei einer der Hauptkritikpunkte von Mitarbeitern gewesen, sagte Hess, der bisher den Gemeinsamen Bundesausschuss leitete und die Stiftung nach der Umstrukturierung wieder in die Hände eines medizinischen Vorstandes geben will.

Die stärkere öffentlich-rechtliche Ausrichtung der DSO geht manchem ihrer Kritiker freilich nicht weit genug. Angesichts der offenbar gewordenen Probleme sei es „ein Skandal“, schimpfen etwa die Grünen-Abgeordneten Harald Terpe und Elisabeth Scharfenberg, dass es keine „wirkliche staatliche Rechtsaufsicht wie bei anderen Gremien im Gesundheitswesen“ geben solle. Die Ankündigungen der DSO seien „reine Kosmetik“. Das Stimmrecht der Ministerialbeamten ändere so lange nichts, wie sie von den anderen überstimmt werden könnten. „Niemand würde auf die Idee kommen, ein Gremium mit vier Ministerialbeamten und acht Bankvorständen zu bilden und das dann als wirksame Bankenaufsicht zu bezeichnen.“

Auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält die DSO-Reform für unzureichend. Es sei „Zeit, die Koordinierung der Transplantation in Deutschland einer staatlichen Institution zu übertragen“, sagte Vorstand Eugen Brysch. Mit ein paar Ministerialbeamten im Stiftungsrat sei es nicht getan.

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