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Politik: Orthodoxe Kirchen: Mehr Macht im Ökumenischen Rat gefordert

Die orthodoxen Kirchen beanspruchen innerhalb des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) mehr Gewicht. Das machten zahlreiche Mitglieder des ÖRK-Zentralausschußes, der derzeit in Potsdam tagt, deutlich.

Die orthodoxen Kirchen beanspruchen innerhalb des ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) mehr Gewicht. Das machten zahlreiche Mitglieder des ÖRK-Zentralausschußes, der derzeit in Potsdam tagt, deutlich. Zum ÖRK gehören insgesamt 337 Kirchen mit rund 500 Millionen Gläubigen, davon bekennen sich allein 100 Millionen Menschen zur russisch orthodoxen Kirche. Im Zentralausschuß des ÖRK ist diese aber nur mit fünf von insgeamt 150 Delegierten vertreten. Dieses Stimmverhältniss ist aus der Sicht der russisch orthodoxen Kirche ein Problem. Hilarion Alfejev, orthodoxer Priester aus Moskau und Mitglied im Zentralauschuß sagte: "Wir haben im ÖRK nicht genug Raum und werden als Minderheit behandelt."

Die Spannung zwischen orthodoxer und evangelischer Kirche zeigt sich auch im Alltag. So rückt man von ökumenisch gestalteten Gottesdiensten wieder ab. Bislang war eine gemeinsame Gottesdienstfeier von orthodoxen und evangelischen Christen durchaus üblich. Jetzt setzt man wieder stärker auf getrennte Gottesdienste. Auch bei einer Annäherung des Kirchenverständnisses zwischen orthodoxer und evangelischer Kirche ist man noch nicht weiter gekommen. Vom Kirchenverständnis steht die orthodoxe Kirche der katholischen Kirche nahe, da sie auch ihre Priester als Nachfolger der Apostel betrachtet. Doch die orthodoxe Kirche erkennt den Papst nicht an. Die evangelische Kirche definiert sich jedoch anders als die orthodoxe Kirche eher über den Glauben als über das Amtsverständnis.

Dabei hatte die ORK-Vollversammlung 1998 in Harare eine Sonderkommission eingesetzt, um die orthodoxen Kirchen stärker einzubinden. In Potsdam hat die Kommission jetzt erstmals einen Zwischenbericht vorgestellt, der diese Entwicklungen beschreibt. Vladimir Fedorov, der am ökumenischen Forschungsinstitut in St. Petersburg lehrt, erklärt das Auseinanderdriften: Die Position der orthodoxen Kirche nach dem Ende des Kommunismus in Russland ist schwierig. Einerseits hat die Kirche riesigen Zulauf, weil sich viele Menschen im Zuge der neuen Religionsfreiheit taufen ließen. Diese sind aber stark konservativ eingestellt. Andererseits sieht sich die orthodoxe Kirche einer zum Teil aggressiven Mission westlicher Kirchen ausgesetzt.ô Um sich abzugrenzen, ziehe man sich daher teilweise auf fundamentalistische Positionen zurück. So verließen die bulgarische und die georgische orthodoxe Kirche vor zwei Jahren den Weltkirchenrat, weil fundamentalistische Kreise dieser Kirchen mit einer Spaltung gedroht hatten. Ihnen ist der Weltkirchenrat zu liberal. Orthodoxe Theologen, die eine stärkere Öffnung ihrer Kirche wollen, müssen derzeit viel mehr als bisher Kompromisse nach innen suchen. ôPetersburg ist die einzige Stadt in ganz Russland, wo evangelische, katholische und orthodoxe Theologie an einem Institut gelehrt wirdô, so Fedorov, äund wir kommen alle bestens miteinander aus. Petersburg zeigt, wie tolerant die russische Kirche sein kann.

Susanne Tenhagen

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