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Angela Merkel

© ddp

Ortstermin: Aufbruch mit der Kanzlerin

Zurück zu den Wurzeln. Für 75 Minuten tauchte Angela Merkel am Freitagabend in die eigene politische Vergangenheit ein. Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hatte geladen, um an die Gründung und das historische Verdienst des Demokratischen Aufbruchs (DA) vor 20 Jahren zu erinnern.

Von Matthias Schlegel

Wohl weniger weil er die bedeutendste Bürgerrechtsbewegung in den Zeiten der friedlichen Revolution gewesen wäre – die war das Neue Forum. Wohl eher, weil die Erinnerung an jene Oppositionsgruppe dem einstigen DA-Mitbegründer und heutigen Vorstandsvorsitzenden der Aufarbeitungsstiftung Rainer Eppelmann die Chance bot, die damalige Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs einzuladen.

Und so begrüßte denn die Bundeskanzlerin in einer launig-freien Rede die mittlerweile größtenteils ergrauten früheren Mitstreiter, um sich dann in die erste Reihe zu setzen und das Podium denen zu überlassen, die ganz von Anfang an dabei waren, zur Gründung am 1. Oktober 1989. Denn sie sei erst Ende 1989 zu der Gruppierung gestoßen, „als die Spannungen über die Inhalte sichtbar wurden“, sagte Merkel. Angelockt von dem Motto „sozial und ökologisch“ habe sie an den Vorstandssitzungen teilgenommen, weil die Oppositionsgruppe dankenswerterweise beschlossen hatte, dass auch Nichtvorstandsmitglieder „stumm dabei sein konnten“. Der Mitte Dezember in Leipzig zum DA-Vorsitzenden gewählte Rechtsanwalt Wolfgang Schnur ernannte sie kurzerhand zur Pressesprecherin, als er sie einmal zu einem Termin schicken wollte und Merkel einwandte, dass sie gar keine Funktion habe. Es war der Beginn einer bemerkenswerten politischen Biografie.

Nicht nur mit Schnur, der kurz vor der ersten freien Volkskammerwahl im März 1990 als Stasispitzel enttarnt worden war, trennten sich bald die Wege. Auch andere suchten sich neue Weggefährten, weil der DA schon mit dem ersten Programm die anfänglich eher linken Träume aufgab und hart mit der DDR abrechnete. Mitbegründer wie Friedrich Schorlemmer, Daniela Dahn oder Edelbert Richter wandten sich ab. „Bei manch einem denkt man gar nicht mehr, dass man mal in der gleichen Partei war“, sagt Merkel süffisant.

Als der Demokratische Aufbruch mit der Ost-CDU und der Deutschen Sozialen Union (DSU) im Februar 1990 eine „Allianz für Deutschland“ eingeht, weil die Kohl-CDU sich geniert, eine Blockpartei pur im Wahlkampf zu unterstützen, bröckelt der DA weiter auseinander. Die „Allianz“ gewinnt die Wahl, der DA bringt 0,9 Prozent in das Ergebnis ein, darf einen Minister, fünf Staatssekretäre, vier Abteilungsleiter und eine stellvertretende Regierungssprecherin namens Angela Merkel in die de-Maizière-Regierung schicken. Die Weichen für die Einheit werden gestellt. Und Merkel teilt nicht die Einschätzung manches früheren Mitstreiters, dass die westdeutsche Parteiendemokratie nun das Ruder übernahm. Wenn Mehrwert an Erfahrung auf Spontanität treffe, seien eben bestimmte Entwicklungen unumgänglich, sagt sie. Und hat noch einen Rat parat: „Haben Sie weiter den Mut des Anfangs, Fragen zu stellen“ – obwohl sie als heutige Parteivorsitzende natürlich auch wisse, wie schön Übereinstimmung sei.

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