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ORTSTERMIN: Die Kanzlerin fühlt den Puls der CDU

Der Name des Wahlverlierers fällt an keiner Stelle. Nicht, als Angela Merkel an die „besonders bittere und schmerzhafte Niederlage“ in Nordrhein-Westfalen erinnert.

Der Name des Wahlverlierers fällt an keiner Stelle. Nicht, als Angela Merkel an die „besonders bittere und schmerzhafte Niederlage“ in Nordrhein-Westfalen erinnert. Und auch nicht, als gleich zwei CDU-Kreisvorsitzende aus ebendiesem Bundesland ihre Vorsitzende davor warnen, nach der flotten Entlassung von Umweltminister Norbert Röttgen zur Tagesordnung überzugehen. „An der Basis rumort es“, sagt Mark Henrichmann ins Mikrofon. Der Coesfelder Funktionär berichtet von „unzähligen Telefonaten“, Verunsicherung, mieser Stimmung. Und dass es bei den Mitgliedern „gar nicht gut angekommen“ sei, dass über Personal entschieden wurde, bevor man die Gründe des Wahldebakels aufgearbeitet habe.

Gut möglich, dass es im nicht öffentlichen Teil noch heftiger zur Sache ging. Das ist schließlich Sinn und Zweck der Übung. Einmal im Jahr dürfen die 327 Kreisverbände der CDU im Konrad-Adenauer-Haus Dampf ablassen – und die Chefin hört zu und hinein in die Parteiseele. Reagiert, diskutiert, versucht zu motivieren. Gut 150 Funktionäre sind gekommen, vorwiegend männlich, junge Managertypen im dunklen Anzug. Sie klatschen, als Merkel mit ihrem Generalsekretär den Saal betritt. Vor jedem ein Plastikfläschchen mit Mineralwasser, ein orangefarbener Pappbecher mit CDU-Aufdruck. Und ein zwölfseitiges Infoheft über die Piratenpartei – der neuen Gefahr.

Beim letzten Mal stand das Treffen unter dem Eindruck des AKW-Unglücks von Fukushima. Diesmal geht es um die Folgen. Erneuerbare Energien, die dafür nötigen Stromtrassen. Außerdem: Europa, Fiskalpakt, Schuldenkrise, Kitaplätze, das umstrittene Betreuungsgeld. Die Zerstrittenheit der Koalition, ihre Außenwirkung – alles Themen, um die es auch heute beim Gipfel mit CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler gehen wird. Und – natürlich – die Ausrichtung, die Werte, die Mehrheitsfähigkeit der Partei. „Erreichen wir noch alle Altersgruppen, alle Lebenswelten?“ Die Frage von Jens Spahn, der den Wahlkreis Steinfurt/Borken vertritt und im Bundestag sitzt, klingt rhetorisch angesichts seiner Zustandsbeschreibung. Mancherorts sei die CDU auf neun Prozent abgesackt. Viele Mitglieder seien „erschüttert und in großer Sorge“. Spahns Appell: Bloß nicht weiter wie bisher.

Doch wie sonst? Der Chefin im hellen Sommersakko ist anzumerken, dass sie sich lieber den Sach- und Fachthemen widmet. „Wir können nicht zaubern, aber arbeiten“, zitiert sie ein Wahlplakat von 1949. Dann referiert sie ellenlang über die „Herkulesaufgabe“ Europa. Lobt die Iren für ihr Referendum. Bekräftigt ihre Ablehnung von Eurobonds. Beschreibt den Fiskalpakt als ersten Schritt, dem weitere Strukturreformen folgen müssten. Und tut erstmals kund, dass sie eine Finanztransaktionssteuer in kleinem Kreis für denkbar hält.

Europapolitisch interessant, an dem vor ihr sitzenden Publikum aber geht es sichtbar vorbei. Das Thema Energiewende ist konkreter, die neuen Trassen müssen die Politiker gegen Widerstände vor Ort durchboxen. Die gelernte Physikerin erklärt ihren Zuhörern, dass die Sonne „wie eine Sinuskurve“, der Wind dagegen „viel stochastischer“ daherkomme, und was das alles in „Gigawatt“ ausmacht. Gemurmel. Dann noch ein Plädoyer für den Kitaausbau, Verteidigung der elterlichen „Wahlfreiheit“, zu der aus Merkels Sicht auch das Betreuungsgeld gehört. Und eine Treueerklärung gegenüber der FDP, auch wenn Merkel dem Partner wegen seines Widerstands gegen Lohnuntergrenzen dann doch ein wenig droht.

Zu NRW und den existenziellen Hilferufen macht Merkel nur ausweichende Bemerkungen. Die Union müsse „vielfältig auftreten“, weil auch die Interessen der Menschen vielfältiger geworden seien. Eine Volkspartei singe „nicht immer das gleiche Lied“. Man nehme es der Union jedoch übel, wenn sie den Eindruck vermittle, sich nur mit sich selber zu beschäftigen. Dann nämlich, so Merkel, dringe man auch mit seinen Erfolgen nicht durch. Aber, keine Sorge: „Wir arbeiten daran.“

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