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ORTSTERMIN: Die Macht der Technik

Die kleine Frau überragt kaum das Rednerpult. Aber dafür hat Shirin Ebadi eine mächtige Stimme – ein Umstand, den die Friedensnobelpreisträgerin in die scherzhafte Bemerkung kleidet, sie habe als Kind ein Mikrofon verschluckt.

Die kleine Frau überragt kaum das Rednerpult. Aber dafür hat Shirin Ebadi eine mächtige Stimme – ein Umstand, den die Friedensnobelpreisträgerin in die scherzhafte Bemerkung kleidet, sie habe als Kind ein Mikrofon verschluckt. Da lachen die Besucher zu Beginn dieses Diskussionsabends im Rahmen der von der Allianz-Kulturstiftung und der Initiative „More Europe“ organisierten Gesprächsreihe „Reden über Europa“ noch. Aber das Lachen wird ihnen bald vergehen, als Ebadi später die Menschenrechtsverletzungen des Regimes in Teheran anprangert. In ihrer iranischen Heimat, der sie 2009 den Rücken kehren musste, würden junge Oppositionelle getötet oder ins Gefängnis gesteckt, berichtet sie. Da herrscht Schweigen im weiten Rund des Allianz-Forums am Pariser Platz.

Wie soll die EU darauf reagieren, wenn entweder – wie im Fall der Ukraine – direkt vor ihrer Haustür oder auch in entfernteren Regionen wie dem Nahen Osten oder in China die Menschenrechte mit Füßen getreten werden? Shirin Ebadi hat an diesem Mittwochabend, an dem es um Europas Außenpolitik zwischen Moral und Realpolitik im allgemeinen und die künftige Rolle des neu geschaffenen Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) im besonderen geht, ein paar praktische Antworten parat. Sie kritisiert, dass die Europäer den iranischen Machthabern beim „Missbrauch der Technologie“ behilflich seien. So habe das deutsch-finnische Technologieunternehmen Nokia Siemens Networks bis 2010 Abhörtechnologie an die iranische Regierung verkauft. Europäische Technologie sei ebenfalls im Spiel, wenn es um die Satelliten-Übertragung der Hetzparolen der iranischen Regierung ins Ausland geht, kritisiert Ebadi. Auch mit der Wahl der westlichen Sanktionen im Atomstreit ist sie nicht einverstanden. Die harten Wirtschaftssanktionen träfen das iranische Volk. Statt dessen fordert Ebadi „Sanktionen, welche die iranische Regierung schwächen“.

Dem will Pierre Vimont nicht so ohne weiteres folgen. Im Umgang mit einigen Regimen sei es manchmal nicht ausreichend, bloß die Vermögen der machthabenden Cliquen im Ausland einzufrieren. So seien es im Fall Birmas gerade die inzwischen für ein Jahr ausgesetzten Wirtschaftssanktionen der EU gewesen, die zu einem Einlenken der Militärs geführt hätten, sagt der französische Karrierediplomat und Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Diensts.

Wenn es um die Menschenrechte geht, müssen sich die Europäer allerdings nach der Meinung des österreichischen Schriftstellers Robert Menasse auch an die eigene Nase fassen. Asylverfahren würden „unendlich lang verschleppt“, Asylbewerber hätten daher oft keine Chance, eine Arbeit aufzunehmen. Allerdings weiß er auch, dass solche Menschenrechts-Debatten in anderen Weltregionen eher Seltenheitswert haben: „Europa ist heute der einzige selbstkritische Kontinent.“

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