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ORTSTERMIN: Flickflack

Merz besucht die FDP

Von Robert Birnbaum

Der Gastgeber strahlt über beide Backen, als er den Gast vorstellt, was überflüssig ist, weil die FDP-Bundestagsfraktion natürlich Friedrich Merz bestens kennt. Aber Guido Westerwelle strahlt vielleicht ja auch mehr aus Erleichterung über sich selbst. Er hat gerade eine komplizierte politische Turnübung absolviert, den freidemokratischen Flickflack: Erst hat sein Generalsekretär Dirk Niebel sich zur SPD herübergelehnt – wenn deren neue Führung wieder in die Mitte rücke, könne sie geschäftsfähig werden. Sofort danach hat der Parteivorsitzende die SPD aufgefordert, sie solle ihre Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan zurückziehen. Gleichgewicht gewahrt, nicht umgefallen – Westerwelle strahlt vor der goldumrahmten Spiegelwand im Saal des alten Wiesbadener Kurhauses wie ein Schulbub. Erst hat’s Niebel der CDU gezeigt, dann hat er es der SPD gezeigt, und jetzt gleich wird es sein alter Studienkumpel Merz der CDU zeigen und der Frau Bundeskanzlerin ganz speziell.

Was das angeht, lässt sich der Ex-Unionsfraktionschef nicht lumpen. Dass Politik die Pflicht zur Klarheit habe, dass sie sich nicht in „mehr Taktik als Überzeugung“ erschöpfen dürfe und nicht darin bestehe, „neben jede Kabinettsvorlage ein TED-Umfrage zu legen, sondern zu führen“ – jeder im Saal weiß: Das gilt Angela Merkel. Westerwelle lächelt jetzt nachgerade triumphierend. Er freut sich etwas zu früh. Das Bemerkenswerte an diesem Auftritt ist nämlich nicht das, was sowieso alle erwartet haben, sondern etwas anderes: Friedrich Merz zeigt sich ernsthaft irritiert von seinem Land.

Nicht dass er nicht auch immer wieder den polemischen Reformer aufblitzen lässt, der fragt, ob nicht alles Geld fürs „Soziale“ nur die Probleme schaffe, die es zu beseitigen vorgebe. Aber in der Rede schwingt ein besorgter Ton mit. „Ich persönlich bin nicht überzeugt, dass es einen Linksruck in Deutschland gibt“, sagt Merz. Aber eine „Veränderung der Gefühlslage“ konstatiert er eben doch.

Merz zitiert Umfragen aus Allensbach, nach denen plötzlich wieder knapp die Hälfte der Deutschen den Sozialismus im Prinzip okay findet. Merz erwähnt die Schwäche von SPD wie CDU, jedoch, liebe FDP: „Wenn wir da liegen, warum liegen Sie nicht wenigstens bei 18?“ Westerwelle zieht einen Flunsch. „Na gut, das ist belastet“ – Merz ist ein höflicher Gast: „Also warum nicht bei 17 oder 19?“ Merz erinnert daran, dass wir Gewinner der Globalisierung sind, aber: „Es gibt Verlierer, auch in Deutschland.“ Merz preist den Wert der kleinen Fluchten aus dem immer härteren Arbeitsleben, den Wert von Heimat, Freunden und Familie. Und fast beschwörend klingt er, wenn er aufruft zur offensiven Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft: „Wir müssen um die moralische Überlegenheit unserer Wirtschaftsordnung kämpfen!“ Das galt längst nicht mehr nur Merkel.

Hinterher hat ihn Westerwelle im Scherz gefragt, ob er nicht doch die Partei wechseln will. Merz hat laut und deutlich „Nein!“ gesagt. Der Flickflack ist seine Sportart nicht. Robert Birnbaum

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