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ORTSTERMIN: Jerusalem!

Der Umweg führt über Jerusalem, Ramallah, Kairo und Damaskus. Da fährt Gysi am Samstag hin, und damit es auch garantiert nicht unbemerkt bleibt, wird die Delegation begleitet von Rudolf Dreßler, Ex-Botschafter in Israel, noch Mitglied der SPD.

Von Robert Birnbaum

Durch das Fenster grüßt der Reichstag. Das Fenster nimmt die Breitseite des Sitzungssaals im sechsten Stock des Jakob-Kaiser-Hauses ein. Gregor Gysi sitzt am Kopfende des Tisches. Von da sieht er den Reichstag nicht. Aber man soll sich nicht täuschen. Der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei hat an diesem Donnerstag den Reichstag sehr fest im Blick. Der Blick nimmt bloß einen Umweg.

Der Umweg führt über Jerusalem, Ramallah, Kairo und Damaskus. Da fährt Gysi am Samstag hin, und damit es auch garantiert nicht unbemerkt bleibt, wird die Delegation begleitet von Rudolf Dreßler, Ex-Botschafter in Israel, noch Mitglied der SPD. „Delegation“ ist übrigens übertrieben, weil außer den zwei Herren nur ein Fraktionsmitarbeiter mitkommt. Aber Gysi – gut gebräunt, bester Laune, schon leicht nahöstlich lockerer Krawattenknotten – hat es mit der Bescheidenheit heute insgesamt nicht so. „Worum geht es?“ fragt er rhetorisch, reibt sich die Hände und gibt selbst die Antwort: „Es sind mehrere Anliegen.“

Es sind, genauer gesagt, zwei. Das eine nennt er selbst: „Es geht mir darum, das Verhältnis der Linken zu Israel – sagen wir mal: schrittweise zu verändern.“ Klar, Solidarität mit Palästina, Kritik an Israel, alles geschenkt, „nicht etwa, dass wir unkritisch werden!“ Aber den einäugigen „Antizionismus“ der West-Linken wie der DDR-Staatsmacht will Gysi seiner Partei austreiben. Von einem „Recht auf einen israelischen Staat“ spricht er, von einem Recht der Bürger Israels auf Sicherheit und von einer „Mitverantwortung“, die man als Deutscher für das Schicksal der Juden nun mal historisch habe: „Man konnte in Mitteleuropa nach 1945 nicht mehr sagen: Integriert euch!“

Womit wir beim zweiten, dem eigentlichen Anliegen wären. Darüber sagt Gysi nichts, dafür Dreßler um so mehr. Der alte SPD-Haudegen war voriges Jahr auf dem Absprung zur Linkspartei. Er ist dann doch geblieben. Aber er hadert. Der Spruch, dass Geschichte sich nicht wiederhole, gelte für die SPD leider nicht, sagt Dreßler. Zur Illustration erzählt er, wie er als SPD-Chef von Wuppertal 1984 die erste rot-grüne Kommunal-Koalition geschlossen hat. Und wie ihn Johannes Rau gefragt hat: „Rudolf, meinst du wirklich, dass das geboten ist?“ Was für Rau eine „hohe Form der Missbilligung“ dargestellt habe. Alles genau wie heute. Aber wer hat recht behalten? „Ich bekenne mich zur Minderheit in der SPD“, raunzt Dreßler, „werde aber über kurz oder lang wieder in der Mehrheit sein.“

Gysi lächelt. Vielleicht denkt er gerade daran, was SPD-Chef Kurt Beck auf die Frage zu antworten pflegt, warum er Bündnisse mit der Linken im Bund ausschließe. Wegen der Außenpolitik, sagt Beck dann, Nato, Afghanistan, und natürlich das Verhältnis zu Israel! Hmm. Wie lautete doch gleich Gysis erstes Anliegen? „Das Verhältnis der Linken zu Israel verändern.“ Der Weg zur Macht erfordert manchmal Umwege. Und sei es über Jerusalem. Robert Birnbaum

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