zum Hauptinhalt
Foto: dpa

© dpa

ORTSTERMIN: Kanzlers diskreter Bote

Im Gegensatz zu Zettls Traum von der Berliner Republik inszeniert die sich gelegentlich preußisch karg und in wenig prächtigen Räumen. Stattdessen atmet sie dann jenen Hauch von Geschichte, der spüren lässt, dass dieses Land einen weit verlässlicheren Boden hat, als provinzielle Anfechtungen einzelner seiner Repräsentanten fürchten lassen.

Im Gegensatz zu Zettls Traum von der Berliner Republik inszeniert die sich gelegentlich preußisch karg und in wenig prächtigen Räumen. Stattdessen atmet sie dann jenen Hauch von Geschichte, der spüren lässt, dass dieses Land einen weit verlässlicheren Boden hat, als provinzielle Anfechtungen einzelner seiner Repräsentanten fürchten lassen.

Am Dienstagabend in der Humboldt- Universität ging es um Europäische Kulturpreise. Über ihre Bedeutung hört man Verschiedenes, der Begriff scheint nicht geschützt. Der Ruf der Europäischen Kulturstiftung Basel, die einige davon verleiht, ist hingegen ohne Tadel. Und wenn der frühere Bundeskanzler Helmut Schmidt den mit dem Europäischen Kulturpreis für Politik ausgezeichneten ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe in einer öffentlichen Veranstaltung würdigt, wird, man ahnt es, Grundsätzliches verhandelt.

Die Sprache des 93-jährigen – seine Bundestagsauftritte vor 30 Jahren sind noch im Ohr – hat nichts von ihrer schnörkellosen Direktheit verloren. Dass seine Reden bedächtiger wurden, gibt ihnen eher mehr Gewicht.

Schmidt erinnert an seine erste Begegnung mit Stolpe, 1981 in London. Der damalige Konsistorialpräsident der Ostregion der Evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg war in Begleitung von Bischof Schönherr, als er dort den Kanzler traf. Schmidt fürchtete damals, Armeen des Ostblocks würden unter sowjetischer Führung in Polen einmarschieren, um die Gewerkschaft Solidarnosc zu zerschlagen. Eine neuerliche deutsche Invasion Polens, nun unter DDR-Beteiligung, würde alle Verständigungsversuche mit den einstigen NS-Opfern im Osten Europas unmöglich machen. Und so bat Schmidt seinen Gast, „so hoch wie möglich in der Staatsführung zu intervenieren, dass sich keine DDR-Truppen beteiligen dürfen“. Und fügt mit erhobener Stimme hinzu: „Ich ging von einem selbstverständlichen Bericht über unser Treffen an die Stasi aus.“ Und, noch ein bisschen pointierter: „Die Berichte über seine Stasi-Mitarbeit sind mir ein anhaltendes Ärgernis. Die Kritik an Stolpe resultiert aus Unwissenheit und Scheinheiligkeit.“

Es waren nicht nur Sozialdemokraten unter den vorwiegend älteren, mehreren Hundert Zuhörern, viele in der DDR groß geworden, die anhaltend applaudierten. Ihnen ging wohl auch nahe, was Schmidt über Stolpes Aussöhnungsbemühungen mit Polen, Tschechien und Russland sagte, in „seinen beiden Lebenshälften“, wie er die DDR-Zeit und die im vereinten Deutschland umschrieb.

Manfred Stolpe dankte. Mit fester Stimme, der man so wenig wie dem 75-Jährigen selbst anmerkt, dass er gerade im Dezember eine dritte Krebsoperation überstanden hat, geht er auf das Verständigungsthema ein, benennt es „nach den Verbrechen der Vergangenheit“ als Verpflichtung.

Auch die Begegnung in London, 1981, und den Bericht an die Stasi danach spiegelt er noch einmal aus seiner Sicht. „Ich war in gewisser Weise von da an der Bote von Helmut Schmidt und deshalb wichtig.“ Und wandte sich dann direkt an den früheren Bundeskanzler: „Die Schlussakte von Helsinki, die Sie mit unterzeichnet haben, hat den Weg zur Freiheit in Europa geebnet und war für mich in all den Jahren das wichtigste Arbeitsmittel im Kampf um diese Freiheit.“

Es war, ohne Zweifel, und wurde so empfunden, eine historische Stunde, der Rückblick zweier alter Männer, die, jeder auf seine Art und jeder an seiner Stelle, Bedeutendes geleistet haben.

Dies noch: Ebenfalls ausgezeichnet wurden der frühere Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, die Mezzosopranistin Clémentine Margaine und der Chor der Deutschen Oper Berlin. Letzterer hatte eingangs, erkennbar weit größere Hallräume gewohnt, beeindruckend und stimmgewaltig mit Richard Wagner die Statik des eher bescheidenen Auditorium maximum der Humboldt- Universität geprüft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false