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Gesine Schwan

© dpa

Ortstermin: Mit vollem Einsatz

Gesine Schwan, derzeit noch Präsidentin der Europa-Universität Viadrina, trifft im Ratskeller von Frankfurt/Oder auf Lothar Bisky. Wie hält sie es mit der Linken?

Der nächste Bundespräsident wird nicht gewählt, er wird erwartet. Die SPD wartet, bis sich Horst Köhler erklärt, ob er wieder will. Die Linkspartei wartet, bis die Bayern gewählt haben, ehe sie einen Kandidaten unterstützt. Gesine Schwan wartet auf einen Anruf der SPD. Und Horst Köhler wartet auf den richtigen Zeitpunkt.

Wer nicht warten will, sind alle anderen. Groß war deshalb die Neugier, als sich Gesine Schwan, derzeit noch Präsidentin der Europa-Universität Viadrina, am Dienstagabend auf Einladung der Linksfraktion zum Treffen mit Lothar Bisky im Ratskeller von Frankfurt/Oder bereitfand. Der Osten war das Thema, aber im Hintergrund rauschte nur eine Frage: Wie hält es die sehr gut mögliche Kandidatin der SPD für das Bundespräsidentenamt mit der Linken?

Lothar Bisky machte alles richtig, er sagte fast nichts. Reden durfte die Bewerber in spe. Und gab gleich den Ton vor, der bis in den Mai 2009 erklingen wird, wenn Köhlers Amtszeit endet: Nicht mehr der Kommunismus ist der politische Gegner, sondern der Kapitalismus, sagte sie so laut und deutlich und offenbar für jedermann so selbstverständlich, dass es nicht einmal viel Beifall gab. Und die DDR? Nicht alles schlecht, vielleicht sogar einiges gut. Die Westdeutschen genössen ihr Überlegenheitsgefühl und übersähen dabei, was sie vielleicht hätten lernen können. Das Gesundheitssystem zum Beispiel, das zwar einen niedrigeren Standard gehabt habe, aber den wenigstens für alle gleich. Auch am Bildungssystem gefielen der Lehrertochter Elemente, etwa die achtjährige Einheitsphase. „Ich kämpfe für eine egalitäre Sicht der Talente. Das ist links“, sagte sie.

Lothar Bisky widersprach nicht, wie sollte er, und er beschied sich auch, als Gesine Schwan, jetzt sehr präsidial, sich zur Politik des operativen Personals herabbegab, mit jener Mischung aus Lob, Distanz und Schärfe, wie es ihres hohen Amtes wäre: Angela Merkel attestierte sie „hohe soziale Kompetenz“ und ein herausragendes „Situationsverständnis“, auch über die Situation hinaus, „wenn auch mehr analytisch, weniger strategisch“. Aber: „Mir ist nicht klar, an welchen Positionen sie hängt – vielleicht hilft ihr das beim moderieren“. Giftiger ist die Kanzlerin selten gewürdigt worden. Gesine Schwan, das wurde deutlich, muss nur gebeten werden. Ansonsten bringt sie vollen Einsatz mit, wie schon 2004, als sie als geachteter Zählkandidat gegen Köhler unterlag. Und die Stimmen der Linken würde sie wohl gerne nehmen, ohne die Bedenken ihrer Parteistrategen: „Karl Marx ist ein fantastischer Denker“, meint die Politikerin. Wohlgemerkt: Ist. 

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