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ORTSTERMIN: Politik aus dem VW-Bus

Die alten Texte habe man versammelt, die alten Kämpen zusammengebracht – die Begrüßungsworte des Verlegers Christoph Links lassen ein Stück „Opa erzählt vom Krieg“ befürchten. Und in der Tat wüsste Günter Grass, dessen Anwesenheit das Atrium der Kreuzberger SPD-Zentrale so gut gefüllt hat wie kaum je eine Parteivorstandspressekonferenz, ja auch davon zu reden.

Die alten Texte habe man versammelt, die alten Kämpen zusammengebracht – die Begrüßungsworte des Verlegers Christoph Links lassen ein Stück „Opa erzählt vom Krieg“ befürchten. Und in der Tat wüsste Günter Grass, dessen Anwesenheit das Atrium der Kreuzberger SPD-Zentrale so gut gefüllt hat wie kaum je eine Parteivorstandspressekonferenz, ja auch davon zu reden. Doch an diesem Freitagnachmittag geht es um die etwas nähere Vergangenheit, jenen Sommer von 1969, als der Schriftsteller 60 Tage lang Bundestagswahlkampf für Willy Brandts SPD machte. „Günter Grass auf Tour für Willy Brandt“ heißt der Band mit Texten von damals, Grass’ Reden und einer Chronik der rund 32 000 Kilometer im VW-Bus. „Die legendäre Wahlkampfreise 1969“, wie der Untertitel, wohl besorgt um ahnungslose Nachgeborene, eigens betont, war auch Anfang des Mythos vom engagierten Intellektuellen Grass und vom Schulterschluss zwischen Geist und Sozialdemokratie.

Und nicht zuletzt jener graswurzelorganisierten „sozialdemokratischen Wählerinitiativen“, die zum Wahlerfolg der SPD nicht wenig beigetragen haben dürften – Brandt wurde 1969 der erste sozialdemokratische Kanzler der Nachkriegszeit. Grass wünscht sich eine Neuauflage. Das neue Buch der alten Kämpen sei „ein Handbuch zur Gründung von Wählerinitiativen“. Sigmar Gabriel, der aktuelle SPD-Chef und zusammen mit Grass auf dem Podium, ist skeptisch. Den Genossen Trend hält er für verstorben – „weil wir das, was Neoliberalismus genannt wird und zur Krise geführt hat, lange mitbetrieben haben: weniger Staat, New Economy, der ganze Blödsinn“, wie der Chef-Sozialdemokrat selbstkritisch bekennt. „Wir haben den Kern der Sozialdemokratie, den Wert der Arbeit, selbst beschädigt.“ Grass und seine Mitstreiter hätten in den 60er und 70er Jahren mit einem großen „Hoffnungsüberschuss“ zu tun gehabt. „Das ist heute ein Skepsisüberschuss.“

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