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ORTSTERMIN: Teil der Demokratie

Strafgefangene besuchen den Bundestag

Es ist keine normale Besuchergruppe, die im Konferenzraum A 2 des Bundestags sitzt. Trotzdem ist lange alles so, wie es bei Besuchergruppen im Bundestag oft ist: 50 Bürger aus dem baden-württembergischen Wahlkreis Heidelberg und Neckar-Bergstraße diskutieren mit ihrem Gastgeber, dem Grünen-Fraktionsvorsitzenden Fritz Kuhn. Die Bürger fragen nach Bildungsgipfel und Bundeswehr in Afghanistan und natürlich nach der Finanzkrise. Kuhn sagt: „Ich sag’ jetzt einfach Ihr“, und antwortet mit Sätzen, die er oft benutzt: realpolitisch, ohne das Grüne aus den Augen zu verlieren.

Nach einer halben Stunde hebt dann der erste von acht Jugendstraftätern aus der Justizvollzugsanstalt Adelsheim die Hand. Kuhn übersieht ihn und nimmt jemand anderen dran. So dauert es noch einmal zehn Minuten, bis das Besondere dieser Reisegruppe zum Vorschein tritt: Sven H., ein 21 Jahre alter Blondschopf, steht auf und dankt Fritz Kuhn für die Einladung: „Im Namen der ganzen Gruppe Adelsheim.“ Er überreicht Kuhn eine Uhr, die in der Metallwerkstätte der JVA entstanden ist. Sie besteht aus Metallstreifen die so aneinandergeschweißt sind, dass sie ein Gitter ergeben.

Jugendliche Straftäter zu Besuch im Bundestag – möglich ist das, weil der baden-württembergische Jugendvollzug besondere Lockerungsmaßnahmen vorsieht. Die Berlin-Reise der acht Straftäter ist eine solche Maßnahme: Die jungen Männer, die wegen Körperletzung, Drogenhandel, Brandstiftung oder Sachbeschädigung sitzen, werden begleitet von neun Vollzugsbediensteten. Sie sind fast rund um die Uhr bei den Jungen – nur nicht nachts, auf den Hotelzimmern. Doch alle Beteiligten sind sich sicher, dass nichts passieren wird. „Wir haben Jungs angesprochen, auf die wir uns verlassen können“, sagt JVA-Mitarbeiter Klaus Brauch- Dylla. „Es ist so eine Ehre, hier zu sein, dass wir uns nicht leisten können, Scheiß zu bauen“, erklärt der 22 Jahre alte David B.. Er persönlich kann es sich auch nicht leisten: Wenn er sich weiter gut führt, kommt er im kommenden April nach zwei Jahren und acht Monaten vorzeitig auf Bewährung frei.

„Ihr habt Mist gebaut, aber Ihr seid dennoch Staatsbürger. Euch gehört die Demokratie genau so wie mir“, sagt Fritz Kuhn der Gruppe zum Abschied. „Das tut schon gut, so etwas mal zu hören“, sagt David B.. Martin Gropp

Martin Gropp

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