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ORTSTERMIN: Vorarbeiter in der Denkfabrik

Matthias Schlegel trifft die Initiatoren eines Institutes, das den Neoliberalismus ablösen und nebenbei ein rot-rot-grünes Parteienbündnis salon- und mehrheitsfähig machen will.

Von Matthias Schlegel

Cum laude“, „mit Lob“, heißt das Restaurant in der Berliner Humboldt-Uni, von dem aus an diesem ersten Februartag des Jahres 2010 der Ruf in die Welt geht: Die Zeit ist reif für einen neuen Politikentwurf. Die, die ihn am Montag früh vor einem Dutzend Journalisten aussenden, sind, stellvertretend für 152 Gründungsmitglieder aus Politik, Wissenschaft und Gesellschaft, sechs Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder des einen Tag zuvor ins Leben gerufenen „Instituts Solidarische Moderne“: die 32-jährige Katja Kipping, Bundestagsabgeordnete und Vizevorsitzende der Linkspartei, Andrea Ypsilanti, die 2008 in Hessen mit ihrem Versuch einer von der Linkspartei tolerierten rot-grünen Minderheitsregierung gescheiterte SPD-Landtagsabgeordnete, Sven Giegold, Grünen-Europaabgeordneter und Attac-Mitbegründer, Franz Alt, parteiloser Journalist und Solarenergie-Freak, und die Politikwissenschaftlerin Birgit Mahnkopf von der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht, deren Lebensgefährte Elmar Altvater tags zuvor auch zu den Gründern des Thinktanks gehört hatte.

Die „Denkfabrik“ hat mit dem siebenseitigen Gründungsaufruf ihr erstes Produkt ausgestoßen. Die politische Alternative zum Neoliberalismus müsse „die untrennbaren Wirkungszusammenhänge von Ökologie und Wirtschaft sowie von sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Menschen beachten“, heißt es darin. Dass der Ansatz linkem Denken entspringt, ist unschwer zu erkennen. Und wegen der regen Beteiligung von Politikern der Linken, der Grünen und der SPD drängte sich rasch der Eindruck auf, hier sei eine Art geistiger Vorhut für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis 2013 am Werk. Katja Kipping ist dieser Befund zu kurzschlüssig: Sie hätten sich zusammengefunden, um eine Alternative zum Neoliberalismus zu entwerfen – und nicht, um einen Koalitionsvertrag zustande zu bringen. Gleichwohl bestehe der Anspruch, Konzepte zu entwickeln, die darauf abzielten, parlamentarische Mehrheiten zu finden, indem man die gesellschaftliche Stimmung beeinflusse. Parteiunabhängig wollen sie arbeiten, die Politik befinde sich viel zu sehr „im Hamsterrad des Alltagsgeschäfts“, sagt Kipping. Immerhin – sie hätten ihre Parteichefs über das Vorhaben „informiert“. Weil Ypsilanti dabei unbewegt ins Leere schaut, wird sie dazu noch einmal befragt: Nein, sie habe Sigmar Gabriel nicht informiert, sagt sie leise.

Da deuten sich gewisse Unbequemlichkeiten an, die vor allem der SPD aus diesem Gremium und seiner personellen Besetzung erwachsen könnten: So schwer sich die Sozialdemokraten mit ihrer politischen Positionsbestimmung und ihrem Verhältnis zur Linkspartei derzeit auch tun – die geistige Vordenkerschaft Leuten wie der seit November vergangenen Jahres nicht einmal mehr dem Parteivorstand angehörenden Ypsilanti oder anderen an der Partei leidenden Genossen wie Rudolf Dreßler, Hermann Scheer oder Anke Martiny (allesamt Instituts-Mitgründer) zu überlassen, dürfte der SPD schwerfallen. Im Übrigen mischt auch der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Detlev von Larcher mit, der nach seinem Aufruf von 2008, bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen Linke zu wählen, aus der Partei ausgeschlossen wurde.

Doch den Initiatoren ist wohl selbst nicht so ganz klar, wie das Verhältnis zu den jeweiligen Parteien sein soll. Da wird die Unabhängigkeit von ihnen betont, aber zugleich darauf hingewiesen, dass man schon in sie „hineinwirken“ wolle. Da wird als Vorteil für unangepasstes Denken gepriesen, dass die Beteiligten in ihren Parteien eben nicht in vorderster Reihe stünden, aber eben auch der Unterschied zu Attac hervorgehoben, das sich wehre, sich parteipolitisch zu binden.

Die Initiatoren rechnen wegen des „verbreiteten Bewusstseins, „dass es so, wie es ist, nicht mehr bleiben kann“ (Ypsilanti), mit kräftigem Zulauf zu ihrem Verein. Den wird er brauchen, denn er soll sich nur aus Beiträgen und Spenden der Mitglieder finanzieren. Im Übrigen lässt man sich Zeit: Eine „Sommerschule“ soll das nächste größere Projekt sein.

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