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ORTSTERMIN: Welchen Mann braucht das Land?

Volker Hildisch über ein Streitgespräch an der Saar zwischen Regierungschef Peter Müller und Vor-Vorgänger Oskar Lafontaine. Trotz Erzfeindschaft fliegen nicht die Fetzen.

Der Saal in der Industrie- und Handelskammer am Saarufer in Saarbrücken ist übervoll. Das Streitgespräch zwischen dem amtierenden Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU) und seinem Vor-Vorgänger Oskar Lafontaine (Linkspartei), der gleichzeitig sein Herausforderer ist, wollen sich fast 300 Familien-Unternehmer nicht entgehen lassen. Irgendwie hat es die Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer (ASU) geschafft, fünf Wochen vor der Landtagswahl die beiden Erzrivalen aufs Podium zu bekommen. Was geboten wird, ist: eine Prise Selbstbeweihräucherung, eine Portion Rechthaberei, garniert mit etlichen Plattitüden. Dazu zwei Wahlprogramme, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Wer allerdings erwartet hatte, dass ordentlich die Fetzen fliegen, der wird an diesem Abend enttäuscht. Während die CDU in ihrem Wahlprogramm noch die Keule schwingt und vor der „rot-roten Mogelpackung mit Lafontaine als Strippenzieher im Hintergrund und (dem SPD-Vorsitzenden) Heiko Maas als Regierungsmarionette“ warnt, geht es hier gesittet und höflich zu. Und bei den Kontrahenten vor allem um die Frage, wer mehr fürs Land getan hat. War es Lafontaine von 1985 bis 1998 als Ministerpräsident und noch ein Jahr als Bundesfinanzminister („Ich habe 6,5 Milliarden Teilentschuldung erstritten“)? Oder Müller, der 1999 Lafontaines Nachfolger Reinhard Klimmt und die SPD mit einer fulminanten Mehrheit für zehn Jahre in die Opposition schickte („Ich habe im Zuge der Föderalismusreform 2,4 Milliarden fürs Land herausgeschlagen – aber da waren die Töpfe auch nicht mehr so voll wie bei Ihnen“)? Und erntet Müller jetzt unberechtigterweise die Früchte der Umstrukturierung, die Lafontaine mit der Gründung von Forschungseinrichtungen an der Uni und der Rettung von Saarstahl anschob? Oder hat die CDU in zehn Jahren ihrer Regierung aus eigener Kraft dafür gesorgt, dass das Saarland bei Wirtschaftswachstum und Abbau der Arbeitslosigkeit ins vordere Drittel der Bundesländer aufstieg?

Als es um die Steinkohle geht, kommen Müller, als Amtsinhaber korrekt mit Anzug und Krawatte erschienen, und Lafontaine, mit offenem Hemd und ohne Krawatte, doch noch richtig in Streitlust. Er könne nicht verstehen, sagt Lafontaine, dass sich ein Ministerpräsident an die Spitze der Gegner des Bergbaus setze. Müller dagegen sieht die Zukunft der Saarlands in den Köpfen der Menschen und nicht unter der Erde. Wenn Bergbau Menschen gefährde, sei er nicht verantwortbar, sagt er.

Und der Regierungschef und Christdemokrat gerät bei einem bundespolitischen Thema in die Defensive: Eine Partei der Steuerlügner sei die CDU, provoziert Lafontaine seinen Kontrahenten. Müller zieht sich mit dem Hinweis aus der Affäre, dass Steuererleichterungen ja nur für den Fall einer konjunkturellen Belebung versprochen worden seien.

Gemessen am Beifall des Publikums bleibt Müller, der für den Disput mit Lafontaine extra seine Wahlkampf-Sommertour unterbrochen hat, klarer Sieger. Für Lafontaine war vorherzusehen, dass er mit seinen Vorstellungen vom starken Staat, von höheren Vermögens- und Erbschaftsteuern vor den Unternehmern und ihren Gattinnen nicht wirklich würde punkten können. Warum er sich dennoch auf dieses Duell eingelassen hat, bleibt eines der vielen Geheimnisse seines Comeback-Versuchs im Saarland.

Bis zum Wahltag bleibt es auch das Geheimnis der Wähler, wer in Zukunft das Saarland regieren soll. Denn da gibt es mit der SPD immerhin noch eine dritte Kraft, die nach dem 30. August den Ministerpräsidenten stellen möchte, aber bisher mit dem Druck fertig werden musste, dass die Linke ihr vielleicht den Rang abläuft. Geschickt argumentiert Lafontaine bei seinen Auftritten in der Rückschau als SPD-Politiker, in die Zukunft gerichtet als Spitzenkandidat der Linken. Gleichzeitig wirbt er offensiv für ein rot-rotes Bündnis nach der Wahl und stellt mit dem Wahlziel 20 plus x die Position der SPD als zweitstärkste Kraft infrage.

Für Müller indes steht fest: „Ich bin Ministerpräsident und ich bleibe es. Aus.“ Doch nach den zweistelligen Verlusten der CDU bei den Wahlen im Juni sieht es gar nicht danach aus. Er strebe eine bürgerliche Mehrheit an, entgegnet er Lafontaine auf die Frage, ob er eine große Koalition ausschließe. Doch auch für ein Bündnis mit der FDP dürfte es nicht reichen. Bleiben noch die Grünen, die sich bereits als Zünglein an der Waage sehen – und dementsprechend alles offenhalten. Lafontaine wird nicht müde, Absprachen zwischen CDU, FDP und Grünen für eine Jamaika-Koalition in den Raum zu stellen – was Grünen-Chef Hubert Ulrich bislang empört zurückweist.

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