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Ans Radio geleimt. Die Kenianer nutzen alle Informationskanäle, um herauszufinden, wer denn nun ihr neuer Präsident sein wird. Doch am Dienstagabend brach das Stimmzählsystem der Wahlkommission zusammen. Bis Mittwochmorgen bewegte sich gar nichts mehr. Nun wird von Hand gezählt, und es kann bis Freitag dauern, bis ein vorläufiges Endergebnis vorliegt.

© dpa

Ostafrika: Kenias erzwungene Rückkehr ins analoge Zeitalter

Nach der Wahl bricht die Technik zusammen – jetzt wird von Hand gezählt. Seit Montag ist das öffentliche Leben in der Hauptstadt Nairobi zum Erliegen gekommen. Wer gewinnen wird, ist wieder völlig offen.

Drei Tage nach der Wahl wartet ganz Kenia auf einen neuen Präsidenten. Am Dienstagabend um 5.30 Uhr brach das elektronische Zählsystem der Wahlkommission IEBC zusammen. Zu diesem Zeitpunkt waren 47 Prozent der Stimmzettel ausgezählt. Erst am Mittwochmorgen trat der Chef der Wahlkommission, Isaak Hassan, vor die Presse. Doch wie die Kommission weiter vorgehen wollte, sagte er zunächst einmal nicht.

Am Mittwochmorgen war die Stimmung im Land nicht nur ungeduldig, sondern „am Kippen“, sagt Heiko Meinhardt. Er beobachtet die Wahlen für das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt“. Nach seinen Informationen hat die Wahlkommission gemeinsam mit Emissären der konkurrierenden Parteien am Mittwochmorgen entschieden, die Auszählung noch einmal bei null anzufangen. Das hatte am Mittwoch die kuriose Folge, dass plötzlich Premierminister Raila Odinga in Führung ging, der am Vortag beim elektronischen Zählverfahren den ganzen Tag hinter Vize-Premier Uhuru Kenyatta Platz zwei belegt hatte.

In den sozialen Netzwerken Twitter und Facebook löste das Verwirrspiel vor allem Heiterkeit aus. In der realen Welt dagegen lähmt der Zählprozess das öffentliche Leben fast vollständig. Doreen Ruto leitet die Friedensinitiative Dipad. Vor der Wahl hat sie versucht, Gemeinschaften miteinander ins Gespräch zu bringen, die sich vor fünf Jahren nach der Wahl blutig bekämpft hatten. Doreen Ruto ist erleichtert, dass das politische Spitzenpersonal dieses Mal „eine Menge getan hat, um die Emotionen seiner Anhänger zu managen“. Doch Schulen und viele Geschäfte sind seit Montag geschlossen, auf den sonst von morgens bis abends staugeplagten Straßen der Hauptstadt Nairobi ist kaum jemand unterwegs, berichtet sie. „Die Kenianer warten ab“ und richten sich auf eine lange Auszählung ein.

Einige Männer in der Hafenstadt Mombasa vertreiben sich die nervenzerfetzende Wartezeit auf die Wahlergebnisse mit dem Genuss heimischer Braukunst. Das Bier wird warm getrunken - und hat in der derzeit herrschenden Hitze schnell Wirkung.
Einige Männer in der Hafenstadt Mombasa vertreiben sich die nervenzerfetzende Wartezeit auf die Wahlergebnisse mit dem Genuss heimischer Braukunst. Das Bier wird warm getrunken - und hat in der derzeit herrschenden Hitze schnell Wirkung.

© Reuters

Heiko Meinhardt hofft, dass die Rückkehr zum analogen Zeitalter der Wahlkommission und der Auszählung „wieder Glaubwürdigkeit verschafft“. Nun müssen die Wahlleiter aus den Regionen mit ihren Auszählungsbögen, die von allen Parteien nach einer öffentlichen Auszählung als glaubwürdig eingeschätzt werden, nach Nairobi reisen. Dort werden die Bögen überprüft und dann nach und nach veröffentlicht. Am späten Mittwochnachmittag waren erst 60 von 290 Wahlleitern in Nairobi eingetroffen.

Trotz der offenkundigen Mängel im Auszählungsverfahren haben die internationalen Wahlbeobachter der kenianischen Wahl bereits Bestnoten erteilt. Der Chef der EU-Wahlbeobachter, der ehemalige slowenische Premierminister Alojz Peterle, wird von der Nachrichtenagentur dpa so zitiert: „Die Kenianer sind am Montag für Frieden und ihre Rechte eingetreten, sie sind ein Beispiel nicht nur für die Region, sondern die ganze Welt.“

Allerdings gibt Andrews Atta-Asamoah vom südafrikanischen Thinktank Institute for Security Studies (ISS) zu bedenken, dass die Wahlen selbst in Kenia selten das Problem waren. „Die Schwierigkeiten fingen immer erst bei der Auszählung an.“ Seiner Einschätzung nach wäre es das „beunruhigendste Szenario, wenn Raila Odinga die Wahl verliert“. Denn seine Unterstützer seien felsenfest überzeugt, dass er nun „dran“ sei. Dazu käme, dass Uhuru Kenyatta und sein potenzieller Vize-Präsident William Ruto sich von August an vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag für ihre Rolle in den Gewaltexzessen nach der Wahl Ende 2007 verantworten müssen.

Atta-Asamoah rechnet nicht damit, dass Kenyatta und Ruto sich diesem Prozess stellen, sollten sie gewählt werden. „Das würde Kenia in die Position eines Paria-Staats bringen.“ Dies wäre nicht nur eine Herausforderung für die die kenianische Außenpolitik, „sondern auch für die westliche Diplomatie“.

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