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Pakistan: Erster regulärer Wechsel

Die 2008 gewählte Regierung unter Raja Pervez Ashraf ist die erste, die in Pakistan eine ganze Amtszeit hielt – eine gute Bilanz kann sie aber dennoch nicht vorweisen. Im Mai soll es nun Neuwahlen geben. Im Hintergrund mischt immer noch das Militär mit.

Von einem „Meilenstein” sprachen Medien, sogar von einem „Wunder“. Erstmals in der 66-jährigen Geschichte Pakistans hat eine gewählte Regierung die volle Amtszeit von fünf Jahren überstanden – ohne vorher, wie üblich, vom Militär oder der Opposition gestürzt worden zu sein. In der Nacht zum Sonntag, Punkt Mitternacht, wurde das Parlament aufgelöst, um den Weg für reguläre Neuwahlen freizumachen. Der scheidende Premierminister Raja Pervez Ashraf sprach von einem „Sieg der Demokratie“ – immerhin wurde Pakistan über die Hälfte der Zeit vom Militär regiert. Doch echter Jubel wollte nicht aufkommen. Die Bilanz der Regierung ist verheerend, die Zukunft sieht düster aus.

Den meisten der 180 Millionen Pakistaner geht es nicht besser, sondern schlechter. Immer mehr rutschen unter die Armutsgrenze. Die Wirtschaft schrammt am Rande des Kollapses entlang, die Stromausfälle sind so dramatisch, dass ganze Fabriken ihre Arbeit einstellen mussten. Die Preise für Lebensmittel stiegen so, dass immer mehr Menschen Mühe haben, satt zu werden.

Auch die Gewalt eskaliert in einem ungekannten Ausmaß. Immer dreister machen Fanatiker Hetzjagd auf religiöse Minderheiten. Tausende sterben jedes Jahr bei Terroranschlägen. Schiiten, Ahmadis, Christen und Hindus leben in ständiger Angst. Vor allem das Blasphemiegesetz wird missbraucht, um sie zu terrorisieren. Die Politik sieht weitgehend tatenlos zu, weil sie sich nicht mit den Religiösen anlegen will. Die Wirtschaftsmetropole Karatschi gleitet ins Chaos, weil sich dort Parteien blutige Gangkriege liefern.

Dabei waren im Februar 2008 die Hoffnungen groß. Nach neun Jahren hatte das Volk die Nase voll vom Militärherrscher Pervez Musharraf. Die Partei PPP schwamm auf einer Sympathie-Welle, nachdem ihre legendäre Chefin Benazir Bhutto Ende Dezember ermordet worden war – und fuhr den Wahlsieg ein. Nicht zuletzt Präsident Asif Ali Zardari gelang es, die wackelige Regierungskoalition bis heute über die Zeit zu retten. Der Bhutto- Witwer ist zwar im Volk nicht beliebt, aber ein gewiefter Taktiker. Seine Amtszeit läuft noch bis September.

Als Wahltermin wird Mitte Mai erwartet. Obwohl laut einer aktuellen Umfrage 56 Prozent der Pakistaner die PPP für die „korrupteste Partei“ halten, hat sie durchaus Chancen, erneut als stärkste Partei die Wahlen zu gewinnen. Dabei könnte sie sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Oppositionspartei PML-N von Nawaz Sharif liefern. Als Außenseiter könnte der frühere Kricket-Star Imran Khan, der als Mann des Militärs gilt, die Feudal-Demokratie aufmischen. Auch der selbst ernannte Revolutionsführer Tahir ul Qadri, der im Januar plötzlich Zehntausende auf die Straße trommelte, scheint sich anzuschicken, eine Rolle zu spielen.

Viele hoffen, dass der erste demokratische Wechsel von einer Regierung zur nächsten die Tage der Militärherrschaft für immer beendet. Doch dass das Militär diesmal nicht putschte, scheint weniger ein Verdienst der Regierung zu sein als kaltes Kalkül der Generäle. Auch ohne Putsch bleiben sie mächtige Akteure. Bis heute bestimmen sie die Außen- und Sicherheitspolitik. Das Land ist in einem solch desolaten Zustand, dass das Militär wohl wenig Lust verspürt, dafür die Verantwortung zu übernehmen. Die neue Regierung steht vor einem Scherbenhaufen. Sie muss nicht nur gegen Wirtschaftskollaps und Stromkrise kämpfen, sondern auch gegen Extremismus und Terrorismus.

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