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Pervez Musharraf droht lebenslange Haft - oder sogar die Todesstrafe.

© AFP

Pakistan: Ex-Premier Musharraf wegen Bhutto-Mordes angeklagt

Pakistans Ex-Militärmachthaber Musharraf muss sich wegen des Mordes an Oppositionsführerin Bhutto im Jahr 2007 vor Gericht verantworten. Das Verfahren ist ein beispielloser Vorgang für ein Land, das den größten Teil seiner Geschichte vom Militär regiert wurde.

Hunderte Polizisten sichern die Straßen in Rawalpindi, als Pervez Musharraf am Dienstagmorgen zum Gericht gefahren wird. Gerade 20 Minuten dauert sein Auftritt, dann wird er wieder abgeführt. Seit Dienstag muss sich Pakistans früherer Militärherrscher offiziell wegen Mordes an der ehemaligen Premierministerin Benazir Bhutto verantworten. „Er wurde wegen Mordes, krimineller Verschwörung für einen Mord und Beihilfe zum Mord angeklagt“, sagte Staatsanwalt Chaudhry Azhar. Für Pakistan ist dies eine Sensation. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass einem Ex-Armeechef der Prozess gemacht wird. Gegen ihn sind weitere Verfahren anhängig. Dem 70-Jährigen, der von 1999 bis 2008 den südasiatischen Atomstaat regierte, könnte lebenslange Haft oder sogar die Todesstrafe drohen – eine Provokation für das Militär, das bisher als unantastbar galt und quasi über dem Gesetz stand. Bhutto war am 27. Dezember 2007 bei einem Wahlkampfauftritt in Rawalpindi bei einem Anschlag ermordet worden. Die Anklage will nun Musharraf, der seit April in seiner Villa bei Islamabad unter Hausarrest steht, dafür belangen. Musharraf plädierte vor Gericht auf nicht schuldig. Die Vorwürfe seien politisch motiviert, sagte seine Anwältin Afsha Adil. Musharrafs Regierung wird vorgeworfen, nicht genug getan zu haben, um Bhutto vor Attentaten zu schützen. In einer Mail hatte Bhutto zudem kurz vor ihrem Tod vier Leute, darunter auch Musharraf, genannt, die verantwortlich seien, wenn sie ermordet würde. Doch es dürfte der Anklage schwerfallen, zu beweisen, dass Musharraf direkt verwickelt war.

Bis heute gibt das Attentat Rätsel auf. Musharrafs Regierung hatte nach der Tat sofort mit dem Finger auf die pakistanischen Taliban und ihren Anführer Baitullah Mehsud gezeigt. Mehsud, der später von einer US-Drohne getötet wurde, hatte dies jedoch bestritten. Auch eine UN-Kommission konnte nicht klären, wer die Hintermänner waren. „Wir werden wahrscheinlich niemals mit voller Sicherheit wissen, wer Bhutto tötete. Die Liste der Leute und Gruppen, die Bhutto als verhassten Feind betrachteten, ist lang“, schreibt Heraldo Munoz, der die UN-Kommission 2008 leitete, in einem nun erscheinenden Buch. Zwar trage Musharraf eine „politische und moralische Verantwortung für die Ermordung“, weil er Bhutto keinen ausreichenden Schutz gewährt habe. Auch soll es wachsende Reibereien zwischen den beiden gegeben haben. Aber all das konstituiere „keinen Beweis“ für Musharrafs Schuld, meint Munoz. Selbst Bhutto habe wohl nicht geglaubt, dass Musharraf selbst ihr nach dem Leben trachte – sondern vielmehr Leute aus seinem Umfeld. Obwohl seit Jahren politische Rivalen, hatten Bhutto und Musharraf 2007 auf Druck der Amerikaner einen Deal vereinbart, der vorsah, dass sie sich nach den Wahlen 2008 die Macht teilen: Während Musharraf Präsident bleiben sollte, sollte Bhutto Premierministerin werden. Der Tod Bhuttos leitete auch Musharrafs Sturz ein. Seine Partei verlor und er musste als Präsident abtreten. Nach vier Jahren im Ausland kehrte er erst Ende März 2013 nach Pakistan zurück, um bei den Wahlen im Mai ein Comeback zu versuchen. Doch die Gerichte blockierten seine Kandidatur. Der Industrielle Nawaz Sharif wurde zum dritten Mal zum Premier gewählt. Sharif und Musharraf sind Erzfeinde, seit Musharraf Sharif 1999 unblutig aus dem Amt geputscht hatte. Auch in der Justiz ist Musharraf eine Hassfigur, seit er 2007 den Chefrichter Iftikhar Chaudhry geschasst und unter Hausarrest hatte stellen lassen. Nicht wenige halten die Anklagen gegen Musharraf daher für einen Rachefeldzug und einen Stellvertreterkrieg gegen das Militär. Ob Musharraf vor diesem Hintergrund mit einem fairen Prozess rechnen kann, bleibt abzuwarten.

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