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Pakistan: Militärchef der Taliban gefasst

Ein Erfolg wird von jenseits der Grenze zu Pakistan vermeldet: Pakistanische und US-Regierungsvertreter bestätigten einen Bericht der "New York Times" zur Festnahme des bedeutendsten Taliban-Anführers seit Beginn des Krieges in Afghanistan.

Tag vier der Operation „Muschtarak“: Die Großoffensive in Südafghanistan, an der sich 15 000 afghanische und ausländische Soldaten beteiligen, um Taliban aus den Bezirken Mardscha und Nad Ali zu vertreiben, hat sich verlangsamt. In der Unruheprovinz Helmand machen hunderte Sprengsätze den Soldaten das Leben schwer. Zudem steigt die Zahl der zivilen Opfer. Ein Erfolg wird dagegen von jenseits der Grenze zu Pakistan vermeldet: Pakistanische und US-Regierungsvertreter bestätigten einen Bericht der „New York Times“ (NYT) zur Festnahme des bedeutendsten Taliban-Anführers seit Beginn des Krieges in Afghanistan.

Mullah Abdul Ghani Baradar wurde demnach in Pakistan bei einem gemeinsamen Einsatz der pakistanischen und amerikanischen Geheimdienste gefangen genommen. „Das ist ein bedeutender Schritt“, sagte ein US-Regierungsmitarbeiter. Ein pakistanischer Regierungsvertreter sagte: „Er ist in unserem Gewahrsam.“ Während auch deutsche Sicherheitskräfte von der Richtigkeit der Meldung ausgingen, dementierte sie Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid. Die Berichte sollten nur dazu dienen, „unsere Kämpfer zu demoralisieren“. Mullah Baradar sei in Afghanistan, leite dort die Operationen der Taliban.

Offenbar hängt die Festnahme von Baradar weniger mit der Nato-Offensive im Süden Afghanistans zusammen als mit den sich abzeichnenden Friedensverhandlungen zwischen der afghanischen Regierung und den Taliban. Pakistan sorgt sich um seinen Einfluss im Nachbarland nach dem Krieg. Das Land will der Taliban-Führung mit der Festnahme offenbar signalisieren: Euer Schicksal liegt in unserer Hand. Pakistan erwartet, dass sein Einfluss in Afghanistan gewahrt bleibt, der des Erzrivalen Indiens dagegen in Schach gehalten wird.

Die NYT berichtete, bei einer gemeinsamen Aktion sei der Militärchef der afghanischen Taliban der CIA und dem pakistanischen Geheimdienst ISI vor einigen Tagen ins Netz gegangen.

Im Westen kennt zwar kaum einer seinen Namen, doch die Amerikaner werteten Baradars Festnahme als die wichtigste seit ihrem Einmarsch in Afghanistan Ende 2001. Baradar gilt als „Nummer zwei“ hinter dem einäugigen, gefürchteten Taliban-Supremo Mullah Mohammed Omar. Ob seine Festnahme die Taliban entscheidend schwächt, ist umstritten. Der Obama-Berater Bruce Riedel sagte der NYT, Baradars Ausfall könne kurzfristig die Militäroperationen der Taliban lähmen. Der US-Analysedienst Stratfor ist skeptischer. „Es ist unwahrscheinlich, dass eine einzelne Person die Nabelschnur zwischen dem Führungsrat und den Militärkommandanten im Feld ist, besonders bei einer Guerillatruppe wie den Taliban.“ Brisanter ist eine andere Frage: Sollte der pakistanische Geheimdienst ISI Baradar ans Messer geliefert haben, könnten sich Afghanistans Taliban nicht mehr auf ihre Gönner in Islamabad verlassen.

Über Baradars Person selbst ist nicht allzu viel bekannt. Er wird auf 42 geschätzt und stammt aus der südafghanischen Provinz Uruzgan. Unter den Taliban war er unter anderem Vizeverteidigungsminister. Später gehörte er dem politischen Führungsrat der Aufständischen an, der sogenannten Quetta Schura. Trotzdem mutet seine Festnahme seltsam an. Es heißt, dass Baradar zu jenen Taliban zählt, die für Gespräche mit Amerikanern und der afghanischen Regierung über eine friedliche Lösung am Hindukusch offen sind. Das US-Magazin „Newsweek“ hatte ihn bereits im Juli 2009 als besten Verhandlungspartner charakterisiert. Seine Festnahme könnte die Chancen für Gespräche, wie sie Washington will, schmälern. In Islamabad wurde allerdings spekuliert, dass Baradars Arrest in Wahrheit der verkappte Versuch sein könnte, Gesprächskanäle zur Taliban-Elite zu öffnen. mit dpa/rtr

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