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Pakistan: Scheinrückzug der Taliban

Für die Kameras spielen sie den Rückzug, doch im pakistanischen Buner treiben Taliban weiter ihr Unwesen – weil die Regierung nur zögernd eingreift.

Es war eine nette Vorstellung. Freundlich in die Kameras winkend, ihre Kalaschnikows zärtlich im Arm, waren Dutzende vermummter Taliban am Freitag auf Lastern aus dem pakistanischem Buner-Bezirk gerollt. Sogar die Presse war zum Abschied geladen. Doch der Rückzug war offenbar reine Show. Nicht nur im Swat-Tal, auch in Buner sollen die Rebellen weiter ihr Unwesen treiben – während sich die Paramilitärs laut Medien kaum aus Wachen und Kasernen trauen. Die einzigen Sicherheitskräfte, die man in Buner auf den Straßen sehe, seien Verkehrspolizisten, spottete die Zeitung „The News“.

Die Lage in Pakistan wird immer undurchsichtiger. Und man wird nicht so recht schlau aus dem Schauspiel, das einem da geboten wird. Der Eindruck verstärkt sich, dass das Militär zum Jagen getragen werden muss. Am Wochenende startete es zwar im Bezirk Lower Dir direkt an der Grenze zu Afghanistan eine Offensive und tötete angeblich 50 Taliban. Hunderte Bewohner flohen in Angst. Aber Pakistans Führung zögert weiter, die Militanten im Swat-Tal und im Bezirk Buner anzugehen. Dabei liegt Buner nur noch 100 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Islamabad.

US-Außenministerin Hillary Clinton hatte Pakistan vergangene Wochen deshalb die Leviten gelesen. Zwar mahnten Armeechef Ashfaq Kayani und die Regierung nun die Rebellen mit markigen Worten, nicht länger über die Stränge zu schlagen. „Genug ist genug“, tönte Rehman Malik, Berater des Innenministeriums. Doch die Regierung schreckt bisher davor zurück, den „Friedensdeal“ mit den Taliban aufzukündigen: Um sie zu besänftigen, hatte Islamabad ihnen jüngst faktisch das liebliche Swat-Tal überlassen. Die Militanten sickern nun allerdings auch in Nachbarregionen wie Buner ein.

Nicht etwa die Regierung, sondern die Taliban setzten am Montag erzürnt die „Friedensgespräche“ aus. Die Regierung müsse umgehend die Angriffe in Lower Dir stoppen, verlangten die Rebellen. Ihr Anführer, der greise Taliban-Veteran Sufi Muhammad soll angeblich in einem Dorf in Dir von der Außenwelt abgeschnitten sein. Er hatte den heiklen Friedensdeal ausgehandelt.

Derweil haben die Stammeskrieger im Swat-Tal eine Telefonzentrale gekapert und rüsten sich laut Medien für mögliche Kämpfe. Ein Polizeioffizier bestätigte am Montag, dass die Taliban auch noch in Buner aktiv sind. Nach dem Zornesausbruch von Clinton hatte die zuständige Regierung der Nordwest-Provinz zwar mehr Kräfte dorthin geschickt, doch die Verstärkung fiel kärglich aus.

Wie Zeitungen berichteten, hatten sich die schlecht ausgerüstete Polizei und Spezialkräfte gleich ganz geweigert, nach Buner zu gehen. Am Ende konnte die Provinzregierung laut Medien gerade 300 Paramilitärs loseisen. Die sollen sich nun in Polizeiwachen verschanzt haben, während bewaffnete Taliban mit schwarzen Turbanen über Märkte schlendern und Straßenpatrouillen errichten. Unter den Militanten sollen sich viele „Ausländer“ befinden.

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari verwirrte die Nachrichtenlage weiter, als er auch noch das Gespenst Osama bin Laden heraufbeschwor. Der Al-Qaida-Chef „könnte tot“ sein, verkündete Zardari mal wieder und fügte hinzu: Aber bestätigt sei das nicht. Das wirkte mehr wie eine neue Nebelbombe, um von einer anderen Frage abzulenken: Wie ernst ist es Pakistans Militär wirklich mit dem Kampf gegen die Rebellen?

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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