zum Hauptinhalt

Politik: Palästina: Arafat bald Präsident eines echten Staates?

In vier Tagen wird ein Staatsgebilde neuer Art geboren. Am 13.

In vier Tagen wird ein Staatsgebilde neuer Art geboren. Am 13. September läuft die Vereinbarung der Palästinenser mit Israel aus dem Zweiten Osloer Abkommen aus. Bislang ist das den Palästinensern zugewiesene Territorium ein von Israel teilbesetztes und teilautonomes Gebiet. Dieses Wochenende tagt der Palästinenser-Rat, doch es ist zweifelhaft, ob Jassir Arafat schon in diesen Tagen den Staat Palästina ausrufen wird. Eine Einigung zwischen den Palästinensern und Israel über die künftige Rechtsnatur Palästinas ist gescheitert. Mangels einer Regelung im Osloer Abkommen für diesen Fall ist undefinierbar, was Palästina ab nächsten Mittwoch sein wird.

Dieser juristisch einmalige Zustand wird mit großer Wahrscheinlichkeit am 15.November ein Ende finden. Für diesen Tag wird mit der Ausrufung des Staates - zwölf Jahre nach der rein deklarativen Unabhängigkeitserklärung durch den Palästinensischen Nationalrat (PNC) in Algier - gerechnet. Relativ sicher kann mit diesem Ereignis zum Jahresende gerechnet werden.

Israels nationalistisches Lager treibt die Furcht um, dass viele oder gar alle Palästinenser den eigenen Staat nur als Zwischenstation anstreben. Am Ende des Weges ahnen sie die Eroberung des gesamten ehemaligen britischen Mandatsgebietes Palästina, also einschließlich des jüdischen Staates. Tatsächlich wird diese Forderung nur noch von der letztlich politisch unbedeutenden - aber möglicherweise wieder zur Gewalt und Terror zurückkehrenden - "Verweigerungsfront" in Damaskus vertreten.

Selbst der politische Flügel der Islamisten verfolgt dies Ziel nicht. Die Gruppe Hamas will, so erklärte deren Politchef im Gazastreifen Ismael Abu Shanab dem Tagesspiegel, "jetzt einen Staat in den 67er-Grenzen", also entsprechend der aktuellen Aufteilung in israelisches und palästinensisches Gebiet. In diesem Staat hätte die Hamas gern die Macht, während "wir alles andere den nächsten Generationen überlassen, nachdem diese gesehen haben, wie die Sache läuft." Sollten die Nachgeborenen die künftigen Realitäten nicht akzeptieren, "dann müssen sie weitere Rechte verlangen". Diese allerdings, daran lässt der Hamas-Anführer keine Zweifel aufkommen, können nur mit "Gewalt als einzigem Mittel, das die Israelis veranlasst, besetztes Land zu räumen", durchgesetzt werden.

Die linke Opposition der Palästinenser hat seit langem nur eine Grundsatzforderung, wie ihr Chef Haider Abdel Shafi dem Tagesspiegel erläuterte: Einen demokratischen, unabhängigen und souveränen Staat Palästina in den Grenzen von 1967. Die Chancen zur Beinahe-Verwirklichung der territorialen Forderungen scheinen dabei erheblich größer als diejenigen nach der Staatsform.

Jassir Arafat zielt ganz offensichtlich einen Ein-Parteien-Staat seiner Fatah-Partei an. Solange er lebt, wird Palästina allerdings nicht von seiner Bewegung, sondern allein von ihm persönlich regiert. Die Bezeichnung Ein-Mann-Staat ist treffender. Dieser Arafat-Staat ist, so seltsam es sich auf den ersten Blick ausnehmen mag, keineswegs einer Diktatur gleichzusetzen. Auch wenn gewisse Tendenzen in dieser Richtung nicht zu übersehen sind - so auch ein Hinweis von Amnesty International diese Woche - und nicht unterschätzt werden sollten.

Palästina sollte man tatsächlich wohl besser Arafat-Land nennen, denn bei allen Anstrengungen und Verdiensten aller anderen nationalen und sektoralen Anführer haben es die Palästinenser einzig Jassir Arafat zu verdanken, dass sie doch noch zu ihrem Staat kommen. Arafat hat in zweifacher Hinsicht Einmaliges geleistet. Er hat zuerst das palästinensische Volk erst geschaffen und anschließend für dies Volk gegen einen übermächtigen Gegner (Israel) - und trotz ständiger brüderlicher Behinderungen von Seiten der arabischen Staaten - den Staat Palästina erkämpft. Vergleichbares lässt sich in der modernen Geschichte nicht finden. Die Palästinenser verstanden sich zum Zeitpunkt ihrer "nationalen Katastrophe" (Naqba), als sie 1967 im Sechs-Tage-Krieg von den Israelis vertrieben wurden, ebenso wenig als ein Volk wie 1948, als sie aus der britischen Mandatsherrschaft entlassen wurden. Ihr künftiges Staatsgebiet haben die Palästinenser nicht selbst verloren. Sie mussten zuschauen, wie ihre arabischen Besatzer von den Israelis vertrieben wurden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false