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Das Volk steht vor der Tür. Zehntausende Isländer forderten den Rücktritt ihres Ministerpräsidenten. Dem blieb keine Wahl.

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Update

"Panama Papers": Die betroffenen Länder und Personen

Die Panama Papers betreffen viele Länder und Persönlichkeiten. Lesen Sie hier eine kleine Übersicht über Island, Ukraine, China, Frankreich und Spanien.

ISLAND

Es waren die größten Proteste in der Geschichte Islands. Rund 12.000 Menschen versammelten sich zunächst am Montagabend vor dem Parlament in Reykjavik, warfen mit Bananen und Eiern, hatten auch Feuerwerk dabei. In den drei Stunden, die die Demonstration anhielt, schwoll die Menge auf 20.000 an. Die Menschen in dem kleinen Inselstaat mit nur 330.000 Einwohnern sind wütend. Wütend auf ihren Regierungschef. Den konnten die Isländer am Sonntagabend im Fernsehen dabei beobachten, wie er aus einem Interview herausstürmt. Vorher faucht er noch den Reporter an. Das war eine dumme Reaktion, gibt Sigmundur Gunnlaugsson hinterher zu.

Am Dienstag wurde erst sein Rücktritt verkündet, den sein Büro dann kurze Zeit später dementierte. In einer Pressemitteilung hieß es: „Der Ministerpräsident ist nicht zurückgetreten und wird weiterhin als Vorsitzender der Fortschrittspartei tätig sein.“ Er habe nur vorgeschlagen, dass sein Stellvertreter Ingi Jóhannsson das Regierungsamt vorübergehend übernehme. Johannsson, kündigte an, Gunnlaugsson zunächst im Amt nachfolgen zu wollen. Zuvor hatte dieser die Auflösung des Parlaments beantragt. Die Daten belegen, dass Gunnlaugssons Frau eine Briefkastenfirma betrieb, die Anteile an den 2008 zusammengebrochenen Banken des Landes hielt. Gunnlaugsson soll seine Anteile 2009 an seine Frau für einen Dollar verkauft haben.

In der Fernsehsendung hatte der Journalist Gunnlaugsson auf die Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln angesprochen. Seit der Ausstrahlung dieser Sendung kannte der Zorn der Isländer keine Grenzen mehr. 2013 hatten sie Gunnlaugsson, den jungen Mann aus wohlhabendem Elternhaus, als Kämpfer gegen soziale Ungerechtigkeit ins Amt gewählt – wohl vor allem, weil sie unzufrieden mit der Verteilung der Lasten aus der Bankenkrise 2008 waren. Damals war der Liberale mit seinen nur 38 Jahren ein politischer Emporkömmling, der sein Land in die Zukunft führen sollte. Jetzt fühlen sich die Isländer von ihm betrogen.

Das Trommeln der Demonstranten

Wütend macht die Inselbewohner nicht nur, dass ihr Regierungschef und seine Frau Millionen in der Offshore-Firma Wintris versteckt haben könnten. Sie sind auch sauer darüber, dass Wintris auf der Gläubigerliste der Krisenbanken stehen soll. Als Ministerpräsident hatte Gunnlaugsson Abkommen zwischen Gläubigern und Banken verhandelt. Dennoch sieht er keinen Grund zum Rücktritt. „Der Premier hat den isländischen Bürgern vor Gläubigern – auch vor seiner Frau – immer den Vorzug gegeben“, teilt sein Büro mit. Bei seinen Landsleuten kamen die Erklärungen nicht an. Der Regierungschef hatte das Trommeln der Demonstranten unterschätzt. Schon einmal haben die Isländer einen Regierungschef durch Demonstrationen gestürzt. 2009 – im Zuge der Finanzkrise – musste der Konservative Geir Haarde nach Protesten gehen. (dpa)

Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine.
Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine.

© dpa

UKRAINE

Nach der Enthüllung der Panama-Papiere fordern in der Ukraine zwei Abgeordnete nun die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im Parlament. Denn in dem riesigen Datenmaterial tauchte auch der Name des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko auf – samt Kopie seines Reisepasses. Nach Recherchen der Journalisten, die die Panama-Papiere auswerteten, gründete Poroschenko 2014 mit Hilfe der in Panama ansässigen Kanzlei Mossack Fonseca ein Offshore-Unternehmen auf den Britischen Jungferninseln, das als Holding für seinen Schokoladen-Konzern Roshen dienen sollte. Die nötigen Unterlagen wurden ausgerechnet zu einer Zeit in Panama eingereicht,  als in der Ostukraine schwere Kämpfe stattfanden. Das macht die Enthüllungen für Poroschenko zusätzlich brisant, weil der Eindruck entsteht, er habe sich um seine Geschäfte gekümmert, während im Donbass ukrainische Soldaten getötet wurden. Neben der Firma auf den Jungferninseln gründete Poroschenko zwei weitere Firmen auf Zypern und in den Niederlanden, die Teil der Holding sind. Poroschenko hatte vor seinem Amtsantritt eigentlich versprochen, den Schokoladenkonzern zu verkaufen. Doch sein Versprechen löste er nicht ein. Roshen gehört zu den größten Süßwarenherstellern weltweit. Dass er den Konzern nicht veräußert hat, erklärte Poroschenko mit der Wirtschaftskrise. Der Präsident besitzt neben dem Schokoladenkonzern auch noch andere Unternehmen, darunter einen Fernsehsender.

Poroschenko gab die Unternehmen nicht an

Die ukrainischen Journalisten, die die Panama-Papiere analysiert haben, kommen zu dem Ergebnis, Poroschenkos Handlungen „könnten in zwei Punkten illegal sein“: Er habe ein neues Unternehmen gegründet, während er bereits Präsident war, und dieses nicht offiziell angegeben. Tatsächlich ist in seiner Einkommenserklärung von 2015 keine Rede von den ausländischen Unternehmen. Um große Summen geht es dabei gar nicht. Die Anteile der Firma auf den Jungferninseln hätten einen Gesamtwert von 1000 Dollar gehabt, so das Ergebnis der Recherche. Das Unternehmen auf Zypern hatte einen Gesamtwert von 2000 Dollar. Finanztransfers über die Briefkastenfirmen gab es offenbar nicht.

Poroschenko erklärte am Montag, er habe stets in voller Übereinstimmung mit ukrainischem und internationalem Recht gehandelt. „Als Präsident habe ich aufgehört, mich am Management meines Vermögens zu beteiligen, und diese Verantwortung auf Beratungsfirmen und Anwaltsbüros übertragen“, betonte der Präsident. Bereits im Januar hatte er gesagt, seine Anteile an Roshen würden in einem so genannten Blind Trust treuhänderisch verwaltet. Doch dieser Vorgang ist bisher offenbar noch nicht abgeschlossen. Poroschenkos Finanzberater teilten im Laufe der Recherche zu den Panama-Papieren mit, die Holding auf den Jungferninseln sei gegründet worden, um die Attraktivität der Roshen-Gruppe für potenzielle Käufer zu erhöhen.  

"Das könnte Vertrauen in Poroschenko weiter untergraben"

Die Enthüllung kommt für Poroschenko auch deshalb zum denkbar ungünstigen Zeitpunkt, weil sich die ukrainische Führung mit dem Vorwurf konfrontiert sieht, zu wenig gegen Korruption zu tun und Reformen zu blockieren. Neben dem Präsidenten tauchen offenbar noch andere Namen bekannter Ukrainer in diesen Dokumenten auf - vor allem ehemalige Vertreter und Unterstützer  des alten Regimes, von dem sich Poroschenko eigentlich abgrenzen wollte.

Einen Untersuchungsausschuss im Parlament verlangen jetzt zwei Abgeordnete aus Poroschenkos eigener Fraktion, Serhij Leschtschenko und Mustafa Najem. Die früheren investigativen Journalisten zählen zu den bekanntesten Reformern des Landes. Leschtschenko sagte, die Panama-Papiere könnten das Vertrauen in Poroschenko weiter untergraben.

Chinas Präsident Xi Jinping.
Chinas Präsident Xi Jinping.

© AFP

CHINA

Kurz nach den ersten Berichten über die Panama Papers auf chinesischen Internetseiten meldeten sich auch die Zensurbehörden bei den Medien: „Findet und löscht alle Berichte über die Panama Papers. Verfolgt damit zusammenhängende Inhalte nicht weiter, ausnahmslos.“ So lautete nach Angaben der Internetseite „China Digital Times“ die Anweisung der Informationsbehörde einer chinesischen Provinz. Sina Weibo, die chinesische Twitter-Version, blockierte sämtliche Suchvorgänge nach den Begriffen „Panama“, „Offshore“ oder „Panama Papers“. So bleibt den meisten Chinesen weiterhin verborgen, dass auch der chinesische Präsident Xi Jinping mit den Panama Papers in Verbindung gebracht wird. Nicht direkt, sondern über seinen Schwager Deng Jiagui, der seit September 2009 zwei Offshore-Firmen auf den britischen Jungferninseln als alleiniger Direktor und Teilhaber führt. Schon 2012 hatte der Wirtschafts-Informationsdienst „Bloomberg“ über ein Vermögen in Höhe von 376 Millionen Dollar in Xi Jinpings Verwandtschaft berichtet, die beiden Offshore-Firmen waren damals noch gar nicht eingerechnet. „Bloomberg“ wurde nach der Veröffentlichung in China geblockt, die Journalisten erhielten keine Visa. China diskutiert offenbar sehr ungern über das Vermögen seiner politischen Elite.

Nun sollen die Familienmitglieder von mindestens acht aktuellen oder ehemaligen Mitgliedern des Politbüros der Kommunistischen Partei in den Papieren auftauchen. Darunter auch Li Xiaolin, die Tochter des für das Tiananmen-Massaker 1989 verantwortlichen ehemaligen Premierministers Li Peng. Sie soll über eine Firma in Lichtenstein Inhaberin einer Offshore-Firma auf den Jungferninseln sein. Weil sie sich dabei mit ihrem Hongkonger Pass als „Xiaolin Liu-Li“ registriert hatte, war es noch schwieriger, sie mit der Offshore-Firma in Verbindung zu bringen.

Kapitalflucht ist ein großes Problem

Chinesen spielten offenbar eine große Rolle bei der Vermittlung von Offshore-Firmen durch Mossack Fonseca. Die panamaische Kanzlei unterhält offenbar Büros in acht chinesischen Städten – so viele wie in keinem anderen Land. Der britische „Guardian“ berichtet, laut einer internen Übersicht der Kanzlei machten Chinesen den größten Anteil unter den Besitzern von Offshore-Firmen aus. Auf Platz zwei folgten die Hongkong-Chinesen.

Kapitalflucht ist in China ein riesiges Problem, rund 750 Milliarden Dollar sind wohl allein 2015 ins Ausland geflossen. Die Motive dafür sind zahlreich: Sie reichen vom Misstrauen gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung in China, fehlender Rechtssicherheit bis hin zur Flucht vor der aktuellen Antikorruptionskampagne Xi Jinpings. Vor allem für das illegal erworbene Geld dürften die Offshore-Firmen in der Karibik ein ideales Versteck sein. Doch auch am Dienstag hielt sich Regierungssprecher Hong Lei zu den nach China führenden Spuren der Panama Papers bedeckt. „Für solche grundlosen Anklagen habe ich keinen Kommentar.“ Und die englischsprachige Ausgabe der staatlichen Zeitung „Global Times“ wittert hinter den Panama Papers eine ominöse „starke Macht“.

Marine Le Pen, Parteichefin des Front National.
Marine Le Pen, Parteichefin des Front National.

© picture alliance / dpa

FRANKREICH

Als die Zeitung „Le Monde“ ankündigte, dass auch eine „große politische Partei Frankreichs“ von den Enthüllungen durch die Panama Papers betroffen sei, machten schnell Spekulationen die Runde, dabei könne es sich um den rechtsextremen Front National (FN) handeln. Nicht ohne Grund: Seit dem vergangenen September hat der französische Fiskus den Parteigründer Jean-Marie Le Pen im Visier. Die französischen Steuerfahnder haben ihn im Verdacht, rund 2,2 Millionen Euro auf verschiedenen Konten versteckt zu haben – zunächst auf der Insel Guernsey, dann auf den Bahamas. Zu Jean-Marie Le Pen könnte es tatsächlich im Zusammenhang mit den Panama Papers eine Spur geben. Denn der frühere Butler des FN-Gründers, Gérald Gérin, ist nach den Angaben der zum Rechercheverbund gehörenden Zeitung der Begünstigte eines Trusts namens „Balerton Marketing“, der wiederum in der Kanzlei Mossack Fonseca registriert war. Den Angaben zufolge hat das Pariser Finanzministerium zahlreiche Hinweise auf eine Verbindung zwischen dem Millionenvermögen des Trusts und Jean-Marie Le Pen. Der Ex-Butler Gérin erklärte hingegen, sein früherer Arbeitgeber habe nichts mit dem Vermögen zu tun. Ein ähnliches Dementi war auch vom FN-Vizechef Florian Philippot zu hören. Er beteuerte, dass weder Parteichefin Marine Le Pen noch die Partei über ein Offshore-Konto verfügten. Zuvor war bekannt geworden, dass der zu den Weggefährten von Marine Le Pen gehörende Geschäftsmann Frédéric Chatillon 316000 Euro nach der Präsidentschaftswahl von 2012 außer Landes schaffte. Bereits vor der Veröffentlichung der Panama Papers waren Ermittler dem Verdacht nachgegangen, ob Chatillon sich der Unterschlagung von Gesellschaftsvermögen schuldig gemacht haben könnte. Nationalismus à la FN und globaler Kapitalismus gehen durchaus Hand in Hand, spottete angesichts der Enthüllungen die Zeitung „Libération“.

Juan Carlos, Patriarch der spanischen Königsfamilie.
Juan Carlos, Patriarch der spanischen Königsfamilie.

© AFP

SPANIEN

Die Enthüllungen der Panama Papers könnten auch Spaniens Königshaus und den spanischen EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete in Schwierigkeiten bringen. Nach den Papieren führen die Spuren von mindestens 1200 Offshore-Firmen in Panama nach Spanien. Die spanische Regierung kündigte Ermittlungen an, um zu untersuchen, ob mit diesen Briefkastenfirmen Steuern hinterzogen worden sind.

Die in Spanien von „La Sexta“ und „El Confidencial“ publizierten Dokumente rütteln erneut am Image der spanischen Königsfamilie, deren Ruf schon durch mehrere Skandale litt. Der Enthüllung zufolge soll Prinzessin Pilar de Borbón, Schwester des alten Königs Juan Carlos, gut 40 Jahre lang Vermögen über eine Offshore-Firma in Panama verwaltet haben. Es dürfte kein Zufall sein, dass – den Papieren zufolge – die hoheitliche Steuersparfirma wenige Tage nach dem Abtritt von Juan Carlos und der Thronübergabe an Sohn Felipe im Sommer 2014 geschlossen wurde. Dies wird als Indiz dafür gewertet, dass das Königshaus informiert war und Felipe nach seiner Amtsübernahme die Notbremse zog. Felipe hatte in seiner Thronrede eine „erneuerte Monarchie“ und die „Beispielhaftigkeit“ des Königshauses versprochen. Den neuen Stil bekam seine Schwester Prinzessin Cristina zu spüren, von der er sich distanziert hatte, nachdem sie wegen Steuerbetrugs angeklagt wurde. Zum neuen Skandal um Prinzessin Pilar de Borbón, die den offiziellen Titel „Königliche Hoheit“ trägt, äußerte sich der Hof nicht.

Ein weiterer prominenter Spanier, auf den wegen des Panama-Skandals Schatten fallen, ist EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete – wenigstens indirekt. Und zwar wegen seiner Ehefrau Micaela Domecq-Beaumont, die zu einer der mächtigsten Unternehmerfamilien in Südspanien gehört. Sie wird in den Dokumenten als Zeichnungsberechtigte einer fragwürdigen Briefkastenfirma geführt, die bis 2010 aktiv gewesen sein soll. Arias Cañete war bereits früher ins Gerede gekommen: Seine Familie gehört zu den Großgrundbesitzern in Spanien, die von EU-Subventionen profitiert haben soll, welche vom damaligen Umwelt- und Landwirtschaftsminister Arias Cañete ausgehandelt worden waren. Zudem untersucht die Justiz, ob er von einem Korruptionsskandal in der Spitze seines Ministeriums wusste, bei dem Millionen beim Bau von Trinkwasseranlagen veruntreut wurden.

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