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Die Kanzlei Mossack Fonseca steht im Fokus der "Panama Papers" zu Geschäften mit Briefkastenfirmen.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

"Panama Papers": Zweifelhafte Recherche? Von wegen!

Kein strafbares Verhalten, alles schon gewusst, nur mediale Inszenierung: Die Kritik an den "Panama Papers" wird lauter. Aber sie zielt am Kern vorbei. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Tretbar

Damit war zu rechnen. Die "Panama Papers" bestimmen die Agenda dieser Tage und zeigen ein weltweites System der Geldverschleierung auf, in das A-, B- und C-Prominente, Politiker, Sportler und Unternehmer sowie Banken verstrickt sind. Einigen, auch und vor allem Journalisten, ist das schon wieder zu groß.

Stefan Winterbauer, Mitglied der Chefredaktion des Branchenmagazins Meedia, zum Beispiel. Er spricht in einem Beitrag auf Meedia vom "zweifelhaften Wert" der Recherche. Die Frage, welchem Promi denn nun wirklich etwas vorgeworfen werden könne, wirft er auf. Es handele sich größtenteils um "Indizien-Stories", die finale Beweise schuldig bliebe. Vieles sei nicht neu und letztlich gehe es zusammengefasst nur um den Effekt. Auch in Kommentaren an anderer Stelle wird häufig argumentiert, dass den in den "Papers" genannten Personen ja juristisch noch nichts vorzuwerfen sei und allein der Besitz einer Briefkastenfirma nicht strafbar sei. Auch Wolfgang Blau, ehemaliger Chefredakteur von Zeit Online, sieht sich im Interview bei Deutschlandfunk mit der Frage konfrontiert, ob das überhaupt Journalismus sei, was man da gerade in Bezug auf die "Panama Papers" sehe.

Und ob das Journalismus ist. Ziemlich guter sogar. Vieles an der Debatte erinnert an die Veröffentlichungen von Wikileaks vor vielen Jahren, als auch von Journalisten argumentiert wurde, es seien ja nur Daten veröffentlicht worden (Zur damaligen Debatte hier ein Kommentar meines Kollegen Markus Hesselmann). Auch den "Panama Papers" liegt eine riesige Datenmenge zugrunde, nur wurde die weltweit von hunderten Journalisten akribisch durchforstet, bewertet und eingeordnet.

Ein Gesellschaftsvertrag ist in Gefahr

Noch dazu ist es eine Datenmenge, die etwas Hochrelevantes zutage gefördert hat. Die Recherchen zeigen eine Parallelwelt auf, die für eine Demokratie in höchstem Maße gefährlich ist. Es belegt ein Vorurteil, dass die Kleinen brav ihre Steuern zahlen und die anderen (möglicherweise) tricksen. Es geht hier im Kern um einen Gesellschaftsvertrag, der auf der Einhaltung von Regeln beruht, die für alle gelten - unabhängig vom Geldbeutel und der nun von Teilen (möglicherweise) aufgekündigt wird.

Möglicherweise deshalb, weil natürlich jetzt Steuerfahnder und Finanzämter überprüfen müssen, ob das in den Briefkastenfirmen getarnte Geld ordentlich versteuert wurde. Der Verdacht, dass dies nicht geschehen ist, liegt zumindest nahe. Allein das ist schon gefährlich, weil einerseits staatliche Gelder für Kitas, Straßen und Brücken fehlen und andererseits Geld dem Staat und damit dem Bürger vorenthalten wird.

Aufgabe von Journalisten ist es, dem Verdacht nachzugehen. Belege zu finden. Spuren aufzuzeigen, eben zu recherchieren und diese Parallelwelt aufzuzeigen. All das machen die "Panama Papers". Den Nachweis der Strafbarkeit müssen Journalisten nicht bringen. Das ist Aufgabe von Steuerbehörden und letztlich der Justiz.

Es geht weniger um Inszenierung als vielmehr um Präsentation

Der Vorwurf, hier würden ja nur irgendwelche Daten wahllos veröffentlicht und damit das eigene Medium ins goldene Licht gerückt, läuft nicht nur ins Leere, sondern ist auch diskreditierend für eine ganze Branche. Denn es wirft die Frage auf, ist Berichterstattung nur dann richtig und sinnvoll, wenn es um juristisch relevante Tatbestände geht? Oder geht es nicht auch um Fragen der moralischen Legitimation?

Der Vorwurf der Inszenierung darf natürlich auch nicht fehlen in der Kritik an den Recherchen. Nur was genau ist daran eigentlich Inszenierung? Hier werden unzählige Aspekte einer Geschichte aufgeteilt und weniger inszeniert als vielmehr umfangreich präsentiert. Auch das hat einen Zweck: den Leser in den Mittelpunkt zu rücken, um ihn die komplizierten Sachverhalte ordentlich nahe zu bringen. Außerdem ist der Verkauf einer Geschichte per se nichts Schlechtes, sondern eben Teil des Geschäfts.

Das Argument, man habe das alles doch abstrakt sowieso gewusst, wird ebenfalls aufgeführt. Das mag sogar sein. Das aber mit Belegen zu unterfüttern, ist primäre Aufgabe von Journalisten und dauert mitunter sehr, sehr lang, wie man jetzt sieht. Und wenn am Ende aufgrund der Berichterstattung Steuersünder zur Rechenschaft gezogen werden, um so besser.

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