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Kritiker werfen Staatschef Macron vor, bei der Pandemiebekämpfung nicht entschieden genug gehandelt zu haben.

© Christian Hartmann/AFP

Dramatische Situation im Nachbarland: Mehr als 100.000 Corona-Tote in Frankreich

In Frankreich sind seit dem Beginn der Pandemie mehr Corona-Tote als in Deutschland zu beklagen. Woran liegt das?

Frankreich hat am Donnerstag die symbolisch bedeutsame Marke von 100.000 Corona-Toten überschritten. Hinter der nackten Zahl stehen nicht nur zahlreiche menschliche Schicksale, sondern auch eine Frage von politischer Brisanz: Wie konnte es passieren, dass Frankreich nach absoluten Zahlen nach Großbritannien und Italien in Europa die meisten Corona-Toten zu beklagen hat?

Im vergangenen Monat hatte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach im Tagesspiegel das Ziel formuliert, dass Deutschland in der Pandemie „deutlich unter 100.000 Toten bleiben“ müsse. Bislang wurden in Deutschland mehr als 79.000 Corona-Tote gezählt.

Dass die Zahlen in Frankreich höher sind, ist bereits seit der ersten Welle vor einem Jahr ein bekanntes Phänomen. Zwischen Mitte März und Mitte Mai 2020 starben in Frankreich fast 30.000 Menschen an ihrer Covid-Erkrankung. Ähnlich wie in Deutschland liegt es im Nachbarland aber an der zweiten und dritten Welle mit der ansteckenderen britischen Variante, dass seit dem vergangenen Herbst der Anstieg der Todeszahlen noch drastischer ist: Der Großteil der Menschen, die in Frankreich einer Corona-Erkrankung erlagen, ist seit Ende Oktober 2020 gestorben.

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Regierungssprecher Gabriel Attal warnte davor, dass der Höhepunkt der dritten Welle noch nicht erreicht ist. Gegenwärtig werden fast 6000 Menschen auf Intensivstationen behandelt. Besonders angespannt ist die Lage im Großraum Paris sowie in der Regionen Hauts-de-France an der Grenze zu Belgien und Provence-Alpes-Côte d’Azur im Südosten. Kritisch bleibt die Situation auch in der Region Grand Est an der Grenze zu Deutschland. Dort wurden über die Osterfeiertage zunächst weniger Neuinfektionen registriert; inzwischen weist der Trend wieder nach oben.

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Zwar verordnete Staatschef Emmanuel Macron Anfang April einen Lockdown mit einer erheblichen Einschränkung der Bewegungsfreiheit – zum dritten Mal seit Beginn der Pandemie. Dennoch sagte am Donnerstag Olivier Faure, der Parteichef der oppositionellen Sozialisten, dass auch Macron einen Teil der Verantwortung angesichts der hohen Corona-Todesrate in Frankreich trage. Faure warf dem Staatschef vor, Anfang des Jahres auf einen glimpflichen Verlauf der Pandemie spekuliert und bewusst auf strikte Gegenmaßnahmen verzichtet zu haben. Wenn sich die Regierung früher dazu durchgerungen hätte, das Virus zu bremsen, stünde das Land besser da, kritisierte er.

Der Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich bei der Pandemiebekämpfung liegt auch darin begründet, dass im Nachbarland anders als hierzulande während der ersten Welle PCR-Tests erst spät verfügbar waren. So gelang es in Deutschland damals besser, die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Ähnliches wiederholte sich später bei der Verfügbarkeit von Mund-Nase-Masken. Wer im vergangenen Sommer in Frankreich in einer Apotheke eine FFP2-Maske kaufen wollte, bekam zu hören, dass diese dem medizinischen Personal vorbehalten seien. Erst seit dem vergangenen Dezember sind FFP2-Masken für die breite Bevölkerung verfügbar.

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Während der ersten Corona-Welle hatten Kritiker Macron vorgehalten, dass Frankreich nicht über genügend Mund-Nase-Masken für das medizinische Personal verfüge. Seinerzeit rächte es sich, dass die großen Bestände mit Schutzausrüstungen, über die der Staat noch 2010 verfügt hatte, in der Zwischenzeit aufgelöst worden waren. Vor einem knappen Jahr musste Macron im Mai 2020 den Mangel zugeben.

Doch der Mangel scheint inzwischen behoben: Nach offiziellen Angaben verfügt die staatliche Gesundheitsbehörde „Santé Publique France“ über eine strategische Reserve von  1,47 Milliarden chirurgischen Masken sowie 500 Millionen FFP2-Masken. Damit könnte das medizinische Personal in Frankreich für die Dauer von zweieinhalb Monaten versorgt werden. Doch nach einem neuerlichen Engpass sieht es nicht aus. Denn im vergangenen Jahr sind im Nachbarland rund 30 neue Unternehmen zur Produktion von Schutzmasken entstanden.

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