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Papst Franziskus sucht neue Wege für sich und andere zum Glauben. Und geht sie auch. Voraus. Unerschrocken.

© AFP/Pool/Vincenzo Pinto

Papst Franziskus: Heiliger Zorn im Vatikan

Ein härterer Kritiker des Kapitalismus und der Ego-Gesellschaft findet sich nicht einmal auf der Linken. Hier zeigt sich die Ernsthaftigkeit des Anliegens von Papst Franziskus. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es muss doch mit dem Teufel zugehen, werden manche denken. Bei diesem Papst, dem jesuitischen, der seine Kirche verändert, dass allen, die nicht wollen oder mitkommen, diesen Spiegelstrich-Katholiken, die Ohren sausen von seinen Posaunenstößen. Dabei ist es doch – wo wir gerade bei Pfingsten sind – so: Da kommt nicht die Hölle, sondern der Heilige Geist über die Katholikenschar.

Franziskus heißt der Mann auf dem Stuhl Petri. Er hat sich bewusst nach einem benannt, der die Kirche bis auf die Grundfesten verändert hat. Wenn diese Kirche eine Zukunft hat, dann wird man sich an diesen Franziskus erinnern – weil er maßgeblich dazu beigetragen hat. Der Papst, bürgerlich Jorge Mario Bergoglio, ist jesuitischer, als seine Gegner es wahrhaben wollen. Er ist im besten Sinn ein Soldat Christi, gottesfürchtig, aber nicht unbelehrbar. Einer, der neue Wege für sich und andere zum Glauben sucht – und sie geht. Voraus. Unerschrocken.

Das zeigt sich in diesen Tagen deutlicher als je zuvor in seiner Amtszeit. Apropos Zeit: Sie ist auch ein bestimmender Faktor. Bei einem 81-Jährigen darf man an das Nachlassen der Kräfte denken, und Franziskus selbst wird es auch tun. Der jesuitische Logiker weiß: Wenn er verändern will, muss er es jetzt tun.

Und er handelt danach. Da ist der Austausch mit Vertretern anderer Religionen aus Asien, um über Dialog zu wahrhafter Kooperation in einer immer säkularer werdenden Welt zu kommen. Weil sich die Dinge nur so zum Besseren wenden, wenigstens ein bisschen. Da ist auch Franziskus’ permanenter Dialog mit Kirchenvertretern in den Weltregionen, in denen viel glühender als beispielsweise im alten Europa geglaubt wird, in Lateinamerika, Afrika, Asien. Und dann seine fast protestantisch-offenen Worte an jedermann, aus dem Leben gegriffen, dem Leben zugewandt wie einst bei Luther. Franziskus wendet sich besonders den Mühseligen und Beladenen zu. Er kommt nicht als unfehlbare Heiligkeit, sein Mitleiden ist echt. Ebenso wie sein heiliger Zorn, der immer wieder die Finanzwirtschaft der Neuzeit trifft, unter der so viele leiden.

Franziskus geht tief hinein in die Mechanismen menschlichen Seins

Ein härterer Kritiker des Kapitalismus und der Ego-Gesellschaft findet sich nicht einmal auf der Linken. Hier zeigt sich dann die Ernsthaftigkeit seines Anliegens, die ihm im Klerus schon bestritten wurde, nach dem Motto: Er ist oberflächlich. Nein, Franziskus geht tief hinein in die Mechanismen menschlichen Seins – und nicht er allein, sondern die Glaubenskongregation mit ihm. Denn dieser Papst ist vom Glauben bestimmt. Deshalb will er die, die Götzen anbeten oder üblen Handel treiben, aus dem Tempel werfen.

Franziskus macht ernst. Damit schmiegt er sich eben nicht dem Zeitgeist an, sondern verschafft der zeitlosen reinen Lehre ihren Raum. Das versucht er jetzt, endlich, auch bei der Schande der Missbrauchsskandale unter Beweis zu stellen. Wer sich an Kindern, den Geschenken Gottes, versündigen hat, schon gar als Christ in Habit und Ornat, darf in der Kirche kein Würdenträger sein. Dass die gesamte Bischofskonferenz Chiles zurücktreten will – das war er, Franziskus.

Für ihn, für alle katholischen Christen, gilt die Lehre vom Leben. Dazu gehört, nichts leichtfertig zu verurteilen, solange es anderen nicht schadet, ob Kommunion für evangelische Partner oder Schwulenehe. Denn das Leben ist gottgegeben. Der Teufel versteckt sich in den gottverfluchten Spiegelstrichen.

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