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Papst Franziskus verändert die katholische Kirche. In den USA hatte diese lange einen schweren Stand. Doch nun gleich der Papstbesuch einem Triumphzug.

© dpa

Papst Franziskus in den USA: Im Land der unbegrenzten religiösen Möglichkeiten

Barack Obama empfängt ihn schon auf dem Flughafen, Tickets werden auf dem Schwarzmarkt gehandelt: Der Besuch von Papst Franziskus in den USA

Der Papst ist in den USA eine Art Superstar: Franziskus kommt vom 23. bis 27. September nach Washington, Philadelphia und New York. Das Internetauktionshaus Ebay bietet Schwarzmarkt-Tickets für einen Platz entlang der Papamobil-Prozession durch den Central Park in New York zu 150 Dollar an. Rund 30.000 Tickets sind von der Stadt New York verlost worden. Eintrittskarten für die päpstliche Ansprache in der Independence Hall in Philadelphia sind für 400 Dollar zu ergattern.

US-Politiker schätzen die Nähe der Päpste. Johannes Paul II. (1920-2005) besuchte sieben Mal die Vereinigten Staaten und traf die Präsidenten Jimmy Carter, Ronald Reagan und Bill Clinton. Der weniger reisefreudige Benedikt XVI. wurde bei seinem einzigen USA-Besuch 2008 von Präsident George W. Bush am Flughafen abgeholt.

Allerdings sei die US-amerikanische Zuneigung zum Papst ein modernes Phänomen, sagte die Professorin für amerikanische Studien an der Brandeis-Universität in Massachusetts, Maura Jane Farrelly. Jahrhundertelang seien in den USA der Vatikan und die römisch-katholische Kirche als „gefährlicher Feind“ gesehen worden, als Gegner des „amerikanischen Konzepts der individuellen Freiheit“. Diese negative Einstellung sei „vergleichbar mit der gegenwärtigen Feindseligkeit zum Islam“, sagte Farrelly dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Die USA hatte ihren Anfänge als protestantische Nation, in der Gewissensfreiheit und individuelle Entscheidung im Vordergrund stehen. Die oft bettelarmen katholischen Einwanderer aus Irland und Italien mit ihrer vermeintlichen Loyalität zum gänzlich undemokratischen Papst in Rom passten schlecht in dieses Nationalgefühl. In den USA entstanden Hunderte verschiedener Kirchen; es ist ein freier Markt der religiösen Möglichkeiten. So „frei“ inzwischen, dass gegenwärtig mehr als 20 Prozent der US-Amerikaner keine Religionsbindung mehr haben.

Im November 1960 wurde mit John F. Kennedy erstmals ein Katholik zum Präsidenten gewählt. Das war nicht einfach. Namhafte protestantische Geistliche und der Nationale Verband der Evangelikalen hatten gegen ihn mobilisiert. Kennedy überzeugte schließlich: Er sei „nicht der katholische Präsidentschaftskandidat“, sondern der „Kandidat der Demokratischen Partei, der zufälligerweise auch katholisch sei.“ In der Politik spreche er „nicht für meine Kirche, und meine Kirche spricht nicht für mich.“

Auch dem Kalten Krieg sei die Akzeptanz der Katholiken zu verdanken, sagte Farrelly, Autorin eines Buches über katholische Identität in den USA („Papist Patriots“). Beim Kampf gegen den Kommunismus konnte man sich zusammentun. Doch alte Ängste saßen offenbar tief. Erst 1984 nahmen die USA und der Vatikan diplomatische Beziehungen auf. Aus protestantischen Kreisen kam massive Kritik.

Die USA sollten keine diplomatischen Beziehungen eingehen zu einem Kirchenoberhaupt, wehrte der Nationale Kirchenrat ab, der größte ökumenische Verband protestantischer und orthodoxer Kirchen. Wenn der Papst einen Botschafter bekäme, möchte er auch einen, sagte Baptistenprediger Jerry Falwell, Gründer der rechtslastigen „Moralischen Mehrheit“. Und „Mekka“ werde vielleicht auch einen wollen.

Die 71 Millionen Katholiken stellen heute rund ein Fünftel der US-Bevölkerung. 138 der 435 Kongressabgeordneten und 26 von 100 Senatoren sind katholisch, darunter der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, und die demokratische Mehrheitsführerin Nancy Pelosi. Vizepräsident Joe Biden ist Katholik.

Sechs der derzeitigen republikanischen Präsidentschaftsanwärter sind ebenfalls Katholiken, darunter Jeb Bush und Marco Rubio. Die einstige protestantische Angst, katholische Politiker würden auf den Papst hören, erscheint anachronistisch: Im katholischen Zelt ist viel Platz in den USA. Viele demokratische Politiker hören weg, wenn die Kirche Abtreibungen verurteilt. Republikaner ignorieren Franziskus' Kapitalismuskritik.

Letztere ist auch vielen Evangelikalen eher fremd. Sie machen gemeinsame Sache mit katholischen Kirchenvertretern gegen Abtreibung und Homo-Ehe, und sie sind es einfach nicht gewöhnt, dass ein Papst sie derart herausfordert. Wenn Franziskus „über Kapitalismus als ein Übel spricht, glauben das viele Evangelikale nicht“, sagte der Baptistentheologe Richard Land im Rundfunksender NPR. epd

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