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Politik: Papst in Polen: Kein Wort über EU-Beitritt

Johannes Paul II. vermeidet offene Kritik an anti-westlichen Vorbehalten/ Zwei Millionen Gläubige bei Gottesdienst

Krakau. Vor den Risiken der Gentechnik und der Euthanasie hat Papst Johannes Paul II. bei seiner Sonntagsmesse vor mehr als zwei Millionen Menschen in der südpolnischen Universitätsstadt Krakau gewarnt. Der „moderne Mensch“ lebe so, als ob Gott nicht existiere, geißelte der sichtlich geschwächte 82-Jährige am dritten Tag seiner Polen-Reise in seiner Predigt die „Ungläubigkeit“ und einen „falsch“ verstandenen Freiheitsbegriff: „Der Mensch stellt sich an die Stelle Gottes, beansprucht für sich das Recht des Schöpfers, in das Geheimnis des menschlichen Lebens einzugreifen. Er will das menschliche Leben durch genetische Manipulation festlegen und die Grenze des Todes selbst bestimmen."

Bei der bisher größten Messe in der Geschichte Polens, in der der Papst vier seiner Landsleute selig sprach, verwies das Kirchenoberhaupt auf die Armut und soziale Ungerechtigkeit in seinem Heimatland. Der Papst mahnte eine „neue Kreativität in der Wohlfahrt“ an: „Wir müssen mit Liebe um uns schauen, uns der Nachbarn bewusst werden, die ihre Arbeit, Unterkunft oder die Möglichkeit verloren haben, ihre Familie zu unterhalten." Während der fast drei Stunden dauernden Messe, die dem erschöpften Papst in der sengenden Sommerhitze sichtlich Kraft abforderte, wurde Johannes Paul II. immer wieder von Beifall unterbrochen. „Wir danken dir, wir lieben dich,“ skandierten die Gläubigen. „Du bist zu Hause,“ sang die Menge, als der Papst die Krakauer Weichselwiesen in seinem Papamobil verließ.

Am Abend zuvor hatte sich der Papst im Krakauer Bischofspalast zu politischen Gesprächen mit Premier Leszek Miller und Präsident Aleksander Kwasniewski getroffen. Miller berichtete nach Ablauf, dass sich Johannes Paul II. vor allem nach den Fortschritten und Problemen bei den Verhandlungen zu Polens EU-Beitritt erkundigt habe, dabei einen sehr gut informierten Eindruck gemacht habe. Der Papst gilt als starker Befürworter der polnischen EU-Mitgliedschaft: Auf sein Drängen ist die anfangs eher EU-skeptische Führung von Polens katholischer Kirche auf einen Pro-EU-Kurs umgeschwenkt. Allerdings verzichtete der Papst während des Gottesdienstes, diese Haltung auch gegenüber den Gläubigen noch einmal ausdrücklich zu unterstreichen. In der katholischen Kirche Polens gibt es starke Strömungen, die anti-westlich eingestellt sind.

Am Morgen hatte der Papst ein neues Wallfahrtszentrum eingeweiht und es dem „Göttlichen Erbarmen“ gewidmet. Die neue Pilger-Kirche am Grab der heiligen Mystikerin Faustyna Kowalska (1905-1938) hat 4000 Plätze.

Die heilige Faustyna ist die Begründerin einer vor allem in Polen populären Frömmigkeitsform, in deren Zentrum das Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes steht. Der Vatikan hatte zunächst große Vorbehalte gegen die Visionen der Mystikerin. 1978 wurde diese Warnung aufgehoben, nachdem der damalige Krakauer Erzbischof Karol Wojtyla für eine neue Übersetzung ihrer Schriften gesorgt hatte. Als Papst Johannes Paul II. sprach er die Ordensfrau im Jahr 2000 heilig und machte den Barmherzigkeits-Sonntag für die gesamte Weltkirche verbindlich. Am Montag will der Papst den Kalvarienberg „Kalwaria Zebrzydowska“ nahe seiner Geburtsstadt Wadowice besuchen. Diese Gebetsstätte begeht in diesem Jahr ihr 400-jähriges Bestehen. Am Abend ist der Rückflug nach Rom vorgesehen. Thomas Roser

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