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Stellvertreter Gottes a.D.

© dpa

Papst-Rücktritt: Kardinal Meisner hat wenig Verständnis für Benedikts Entscheidung

Der Kölner Kardinal Meisner hat wenig Verständnis für den Rücktritt von Papst Benedikt XVI. Er hielt die Ankündigung zunächst für einen Karnevalsscherz und zeigt sich "regelrecht schockiert".

Wenig Verständnis für den Rücktritt von Papst Benedikt XVI. hat der Kölner Kardinal Joachim Meisner gezeigt. „Ich bin regelrecht schockiert“, sagte Meisner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, der zugab, dass er die Ankündigung „erst für einen Rosenmontagsscherz“ gehalten habe. „Das geistliche Amt ist ja eine Art Vaterschaft. Und Vater bleibt man doch Zeit seines Lebens“, begründete Kardinal Meisner sein Unverständnis.

Als eine Altersgrenze für Bischöfe und Priester eingeführt wurde, habe er lange Zeit gedacht: „Ein Glück, dass wenigstens der Papst auf Lebenszeit amtiert. Dann ist die Kontinuität dieser Vaterschaft gesichert.“ Allerdings merke er an sich selbst, „wie ich mit den Jahren doch mehr und mehr in den Seilen hänge, räumte der 79-jährige Meisner ein. „Und insofern ist es schon sinnvoll, dass man auch zurücktreten kann.“ Dennoch habe ihn der Rücktritt total überrascht, weil Benedikt XVI. nie eine Andeutung gemacht habe. „Und wenn, dann hätte ich es nicht begriffen.“

Papst Benedikt XVI. hatte die Welt am Montag mit einer Rücktrittsankündigung überrascht. Bei einer Vollversammlung der Kardinäle in Vatikanstadt sagte der 85-Jährige, er werde sein Amt am 28. Februar niederlegen, da seine Kräfte für die Aufgaben des Papstes nicht mehr ausreichten. In der katholischen Kirchengeschichte hat es bisher nur einmal einen vergleichbaren Rücktritt gegeben. Benedikt hatte in seine Entscheidung offenbar nur engste Vertraute einbezogen: Selbst der Kurienkardinal und ehemalige Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano nannte seine Entscheidung einen „Blitz aus heiterem Himmel“.

„Nachdem ich wiederholt mein Gewissen vor Gott geprüft habe, bin ich zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr ausreichen, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben“, sagte Benedikt XVI. in seiner im Original auf Latein gehaltenen Rede. Um in der sich stetig wandelnden Welt die katholische Kirche zu führen, sei „sowohl die Kraft des Köpers als auch die Kraft des Geistes notwendig, eine Kraft, die in den vergangenen Monaten in mir derart abgenommen hat, dass ich mein Unvermögen erkennen muss, den mir anvertrauten Dienst weiter gut auszuführen“. Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes werde er „auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri“ verzichten, sagte Benedikt. Der Stuhl des Heiligen Petrus werde „ab dem 28. Februar 2013, um 20.00 Uhr ... vakant sein“.

Vatikansprecher Federico Lombardi kündigte an, bis Ostern solle ein Nachfolger feststehen. Das Konklave zur Wahl des neuen Kirchenoberhauptes könne innerhalb von 15 bis 20 Tagen nach dem Rücktritt beginnen. Ostersonntag ist am 31. März. Benedikt werde im Konklave keine Rolle spielen. Lombardi sagte weiter, „der Papst hat uns ein bisschen überrascht“. Die meisten anwesenden Kardinäle seien nicht informiert gewesen. Benedikt werde sich nach dem Rücktritt zunächst in die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo zurückziehen und danach in ein Kloster innerhalb des Vatikans. Er habe „oft gesagt, er wolle seine Zeit dem Gebet, dem Nachdenken und eventuell dem Schreiben“ widmen. Der Papst habe den Entschluss aus freien Stücken getroffen. Es gebe auch keine besondere Krankheit als Anlass dafür, lediglich Altersgründe. Der Rücktritt entspreche dem Kirchenrecht.

Der 265. Papst in der Kirchengeschichte

Papst Benedikt XVI. wurde 1927 als Joseph Ratzinger im bayerischen Marktl am Inn geboren. Am 19. April 2005 wurde er als 265. Papst in der Kirchengeschichte zum Nachfolger des verstorbenen Johannes Paul II. gewählt – als erster deutscher Papst nach 482 Jahren. Seine Heimat besuchte er als Kirchenoberhaupt dreimal. Als Kardinal war er für seine strikten theologischen Positionen bekannt und wurde von Kritikern deswegen als „Rottweiler Gottes“ bezeichnet. Seine Kritiker warfen ihm vor, er habe die Uhr der Reformen in der Kirche um mindestens ein halbes Jahrhundert zurückgedreht. Auch habe er dem Dialog mit Juden, Muslimen und anderen Christen geschadet. Seine Anhänger feierten ihn dagegen dafür, dass er die traditionelle katholische Identität stärkte.

Es ist das erste Mal seit Jahrhunderten, dass ein Papst zurücktritt, und nur einmal geschah dies bisher freiwillig: 1294 erließ Coelestin V. ein Dekret, das den Papst- Rücktritt erst erlaubte. Kurz darauf, nach fünf Monaten im Amt, trat er zurück. Benedikt hatte in einem 2010 veröffentlichten Interviewbuch erklärt, es könne für ein katholisches Kirchenoberhaupt eine Pflicht sein zurückzutreten, wenn es seine Ämter nicht mehr bewältigen könne.

Weltweit wurde die Entscheidung des Papstes mit viel Respekt aufgenommen. Bundespräsident Joachim Gauck bescheinigte ihm „großen Mut und Selbstreflexion“. Der Papst habe mit seiner einfachen Sprache auch Nicht-Katholiken den Weg zum Glauben geöffnet. Bundeskanzlerin Angela Merkel dankte Benedikt XVI. für seine Arbeit. Er bleibe „einer der bedeutendsten religiösen Denker unserer Zeit“. Italiens Ministerpräsident Mario Monti erklärte: „Ich bin sehr erschüttert über diese unerwartete Nachricht.“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sprach von einer großen menschlichen und religiösen Geste. „Wir deutschen Bischöfe danken dem Heiligen Vater für seinen Dienst auf dem Stuhl Petri.“ Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Alois Glück sagte dem Tagesspiegel, er glaube nicht, dass Benedikt seine persönliche Beschwernis zum Maßstab seiner Entscheidung genommen habe. Er sei vielmehr zu dem Schluss gekommen: „Die Kirche braucht in dieser Zeit einen handlungsfähigen und präsenten Papst.“ Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki nahm die Rücktrittsankündigung „mit großem Bedauern“ auf.

Auch die Oberhäupter anderer Kirchen würdigten den Papst. Justin Welby, Erzbischof von Canterbury und Oberhaupt der anglikanischen Kirche mit etwa 80 Millionen Gläubigen, erklärte, Benedikt XVI. habe sein Amt „mit großer Würde, Einsicht und Mut ausgefüllt“. Israels Oberrabbiner Yona Metzger lobte dessen Verdienste im Dialog zwischen den großen Religionen. (mit AFP/KNA/rtr)

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