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Politik: Paris rechnet nach der Katastrophenserie mit Kosten in Milliardenhöhe - Keine offene Kritik an der Stromversorgung

Die Silvesternacht und den Computer-Bug hat Frankreich problemlos überstanden. Dennoch wird das "Fin de siècle" als riesige Katastrophe in die Annalen eingehen.

Die Silvesternacht und den Computer-Bug hat Frankreich problemlos überstanden. Dennoch wird das "Fin de siècle" als riesige Katastrophe in die Annalen eingehen. Auf rund 50 Milliarden Francs (15 Milliarden Mark) belaufen sich nach ersten Schätzungen die Schäden, die eine Serie von Stürmen seit Mitte November angerichtet hat. Ingesamt 127 Menschen kamen bis Ende Dezember bei Überschwemmungen und Unwettern ums Leben. Nun hat eine kontroverse Diskussion über Kosten und Konsequenzen der größten Katastrophenserie der französischen Geschichte begonnen.

Eine erste politische Konsequenz steht bereits fest: Paris ist mehr denn je entschlossen, am öffentlichen Dienst "à la française" festzuhalten. Sowohl Präsident Jacques Chirac als auch Premierminister Lionel Jospin singen das Hohelied des treusorgenden Staates, seitdem der letzte Orkan kurz nach Weihnachten die Stromversorgung in weiten Teilen Frankreichs lahmgelegt hatte. Zeitweise waren 3,5 Millionen Franzosen ohne Strom, am Dienstag mussten immer noch 300 000 Menschen mit Petroleumlampen vorlieb nehmen. Der staatliche Stromversorger EDF müht sich nach Kräften, die auf 17 Milliarden Francs bezifferten Schäden am Leitungsnetz zu beheben.

Zwar mußte EDF auf ausländische Hilfe zurückgreifen, um der katastrophalen Lage Herr zu werden und zwischen landesweit 270 Millionen geknickten Bäumen neue Leitungen zu verlegen. Doch niemand wagt es, den weltgrößten Stromversorger wegen der schleppenden Reparatur zu kritisieren.

Eine weitere Konsequenz der Katastrophenserie ist nicht minder paradox. Ausgerechnet die grüne Umweltministerin Dominique Voynet steht auf der Anklagebank. Schon im November hatte sich Voynet unbeliebt gemacht, als sie eine Überschwemmung im ländlichen Südwestfrankreich mit einer angeblich ausufernden Urbanisierung erklärte. Die letzten Sympathien verscherzte sie sich aber vor Weihnachten. Obwohl in der Bretagne eine Ölpest drohte, setzte sie sich in den Urlaub auf die sonnige Insel La Reunion ab. Selbst der grüne Europaabgeordnete Cohn-Bendit warf ihr vor, hilflos "wie eine Krankenschwester" reagiert zu haben. Das Versagen der Grünen zwang Premierminister Jospin, die Krisenbewältigung selbst in die Hand zu nehmen. Jospin brach seinen Ägypten-Urlaub vorzeitig ab und zeigte sich danach an allen Fronten.

Nach einer Bilanz der Zeitung "La Tribune" wird der Staat allein für die Reparatur von historischen Monumenten 400 Millionen Francs aufbringen müssen. Der Schaden an Transportmitteln und Infrastruktur wird auf 3 Milliarden beziffert, die ebenfalls zum Großteil aus Steuermitteln aufgebracht werden dürften. Der Löwenanteil kommt allerdings - abgesehen von der staatlichen EDF - auf die Versicherungen zu: Sie müssen mit Entschädigungen zwischen 15 und 25 Milliarden Francs rechnen.

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