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Parlament: Elf Linke sabotieren Einigung gegen Antisemitismus

Der Bundestag beschließt Anträge gegen Antisemitismus. Doch ausgerechnet aus den Reihen der Linksfraktion wurde die mühsam ausgehandelte Einigung sabotiert.

Von Frank Jansen

Berlin - Die Mehrheit hätte noch größer sein können. Mit Stimmen aus allen Fraktionen hat der Bundestag am Dienstag in einem einzigen Votum zwei gleichlautende Anträge zur Bekämpfung des Antisemitismus und zur Förderung jüdischen Lebens in Deutschland beschlossen. Das ungewöhnliche Verfahren war ein Kompromiss nach heftigem Streit. Abgeordnete von CDU und CSU hatten kein gemeinsames Papier mit der Linken präsentieren wollen. Deshalb stellten Union, SPD, FDP und Grüne den einen Antrag, den anderen die Linke, die sich gegen eine Ausgrenzung gewehrt hatte. Doch ausgerechnet aus den Reihen der Linksfraktion wurde die mühsam ausgehandelte Einigung sabotiert, für die sich auch eine der prominentesten Linken, Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau, engagiert hatte. Elf Abgeordnete, darunter die als besonders radikal geltende Ulla Jelpke, blieben der Abstimmung fern.

Jelpke und die anderen zehn behaupteten in einer Erklärung, der Text der beiden Anträge habe eine „undemokratische, anmaßende Tendenz“. Die Abweichler störte unter anderem die Deklaration, die Solidarität mit Israel sei „ein unaufgebbarer Teil der deutschen Staatsräson“. Nahezu wortgleich hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel im März in Jerusalem vor der Knesset geäußert.

Die anwesenden Abgeordneten von Union, SPD, FDP, Grünen und Linkspartei stimmten trotz kontroverser Debatte, vor allem nach Angriffen des CSU-Abgeordneten Hans-Peter Uhl auf die Linke, geschlossen für beide Anträge. Die einzige Neinstimme kam vom ultrarechten Ex-CDU-Abgeordneten Henry Nitzsche.

In den Anträgen wird die Regierung aufgefordert, ein Expertengremium zu beauftragen, einen regelmäßigen Bericht zum Antisemitismus in Deutschland zu erstellen. Außerdem sollen der Aufbau und die Pflege jüdischer Institutionen mit Bundesmitteln gefördert werden. Exemplarisch wird die Errichtung der Hebraic Graduate School of Europe in Berlin genannt. Verlangt wird auch eine Stärkung der Bundesprogramme gegen Antisemitismus, vor allem mit Bezug auf Opfer antijüdischer Straftaten.

Nahezu 800 antisemitische Delikte, darunter 21 Gewalttaten, hat die Polizei von Januar bis September festgestellt. Das ist der aktuellen Antwort der Regierung auf regelmäßige Anfragen von Pau und ihrer Fraktion zu entnehmen. Die Regierung meldete für das dritte Quartal 267 Delikte (zweites Quartal: 266, erstes Quartal: 264). Verletzt wurden 27 Personen. Insgesamt 471 Tatverdächtige konnte die Polizei ermitteln, nur vier wurden festgenommen. Haftbefehle gab es nicht.

Die antisemitischen Delikte ordnet die Polizei der rechten Kriminalität zu. Hier ergibt sich in der Summe nach neuen Angaben der Regierung, ebenfalls auf Anfragen von Pau und Linksfraktion, dass von Januar bis September mindestens 14 193 rechte Delikte, mit 782 Gewalttaten, festgestellt wurden. 634 Menschen wurden verletzt. Die Polizei ermittelte 5720 Tatverdächtige, 210 wurden festgenommen und 15 kamen in Untersuchungshaft. Alle Zahlen werden aufgrund von Nachmeldungen der Polizei noch steigen.

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