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MAD-Chef Christof Gramm BfV-Chef Thomas Haldenwang und Bruno Kahl, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), im Sitzungssaal des Paul-Löbe-Hauses (v.l.n.r.).

© Wolfgang Kumm/dpa

Parlamentarisches Kontrollgremium: Geheimdienstler, die Öffentlichkeit suchen

Normalerweise arbeiten sie im Verborgenen. Einmal im Jahr aber gibt es ein offenes Treffen der deutschen Geheimdienste im Bundestag. Zur „Entmystifizierung“.

Das Leben ist voller Widersprüche, also sind Geheimdienste es auch. Öffentliche Anhörungen sind das Letzte, wonach ihren Chefs der Sinn steht. Trotzdem soll das einmal jährliche offene Treffen im Bundestag mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium, das am Freitag zum zweiten Mal stattfand, zur guten Tradition werden. Ein Beitrag zur „Entmystifizierung“, so gibt es der Gremiumsvorsitzende Armin Schuster (CDU) aus, der die drei Bundes-Geheimdienste Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und Militärischen Abschirmdienst (MAD) in ein volksnäheres Licht rücken soll. Denn sonst wird hinter Stahltüren getagt.

Der neue BfV-Präsident Thomas Haldenwang schüttelt die meisten Hände. Als langjähriger Schatten seines Amtsvorgängers Hans-Georg Maaßen soll er in der Kölner Zentrale einen Neuanfang verkörpern – wie Maaßen es übrigens auch einmal zugedacht war, nach den zu lange unauffällig gebliebenen NSU-Morden. Etwas schüchtern spricht Haldenwang vom Austausch mit seinem früheren Chef, davon, dass der eine die, der andere jene Akzente betont habe. Doch dann fällt ein erstaunlich klarer Satz: „Jetzt bin ich der Präsident, jetzt setze ich die Akzente“.

Die Rechten im Fokus

Einige mehr als zuvor sollen auf dem Rechtsextremismus liegen, man merkt es daran, wie Haldenwang seine Erzählung von den Ereignissen in Chemnitz präsentiert. Während Maaßen nach der tödlichen Messerattacke einen angeblichen „Mord“ geißelte und Desinformation durch Antifa-Videos beklagte, sieht Haldenwang das Problem bei „rechtsterroristischen Strömungen“, die sich, vernetzt und aufgeputscht durch die sozialen Medien, in wechselnden Zusammenschlüssen wie etwa „Bürgerwehren“ zu Gewalt gegen Ausländer verdichten.

Die Falschinformation, die Maaßen noch in den als „Hetzjagden“ beschriebenen Ausschreitungen erkannt haben wollte, schildert Haldenwang in der Darstellung rechter Netzwerke, das Opfer in Chemnitz habe eine Frau vor Übergriffen schützen wollen. Dafür habe es jedoch „keine Belege“ gegeben. „Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass es noch nie so einfach war, Hass und Gewaltfantasien zu zelebrieren und dabei auch noch anonym zu bleiben.“ Deutlich andere Worte als die des Geschassten, der am Freitag nur als Witz taugt: Die SPD werde jedenfalls kaum im Verfassungsschutzbericht auftauchen, sagte Haldenwang auf eine Parlamentarierfrage zu Maaßens Version, dieser sei von linksextremen Kräften in der Partei aus dem Amt gekippt worden.

Die Rechten sind es, die auch den MAD umtreiben, der die Bundeswehr vor Extremismus und Spionage bewahren soll. Dessen Chef Christof Gramm zeichnet das exakteste Bild der Bedrohung, nämlich ein diffuses. Die neurechte Vielfalt samt ihres intellektueller gewordenen Über- und Unterbaus sei viel schwieriger in den Griff zu bekommen als der Skinhead von einst. Die Angelegenheit habe auch einen modischen Aspekt bekommen, etwa beim Thema Reichsbürger: „Ist einer, der einen Zaun um sein Grundstück zieht und einen Staat ausruft, ein Spinner oder eine Gefahr?“

Ein neuer Geist

In der Welt von BND-Chef Bruno Kahl geht es ähnlich zu. „Immer unübersichtlicher, immer unsicherer“ sei die Lage, sagt der Chef der Auslandsaufklärung. Mit Sorge sieht er den Aufstieg autoritär geführter Staaten, die westliche Verfassungsdemokratien als instabil und überfremdet wahrnähmen. Trotzdem lobt er die weiter gute internationale Geheimdienstkooperation, die mit den USA unter Donald Trump die bewährte geblieben sei; mit der Türkei gebe es „Tauwetter“. Auch Migration steht im Fokus des Dienstes, aktuell wieder auf der Route Marokko-Spanien.

Ansonsten ist wohl alles Gold. Kahl schwärmt vom pannenfreien Umzug nach Berlin, von Bewerberrekorden und der Entwicklung einer Fehlerkultur, die er angestoßen habe und die zugleich der wichtigste Wunsch der Mitarbeiter sei. Der Millarden-Klotz in der Mitte Berlins sei ein „Statement“, es stelle etwas dar. „Ich spüre einen neuen Geist“, sagt Kahl. „Den Spirit of Berlin.“

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