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Parlamentswahl: Bulgaren wählen den Regierungswechsel

Umschwung am Balkan: In Bulgarien hat die rechte Opposition die Parlamentswahl klar gewonnen. Die bisher regierenden Sozialisten gestanden ihre Niederlage ein.

Die oppositionelle GERB-Partei gewann im ärmsten EU-Land die Wahlen mit 41,5 Prozent. Die Sozialisten kamen lediglich auf 18,2 Prozent. Experten sprachen von einem Denkzettel für die sozialistische Regierung, weil sie die Korruption im Land nicht wirksam bekämpft und damit einen Stopp von EU-Geldern verursacht habe.

Der sozialistische Außenminister Iwajlo Kalfin sprach von einer "schweren Niederlage" für seine Partei. Er selbst war bei der Europawahl vor einem Monat zum EU-Abgeordneten gewählt worden.

GERB-Chef Bojko Borissow, Bürgermeister von Sofia und früherer Leibwächter, versprach unterdessen so schnell wie möglich mit den Koalitionsverhandlungen zu beginnen um eine Regierung zu bilden. GERB wolle andere rechte Parteien zu Gesprächen einladen, sagte er dem Privatfernsehen bTV.

Borissow kündigte einen kompromisslosen Kampf gegen die Korruption an. Seine künftige Regierung werde sich auch um eine Wiederaufnahme der EU-Zahlungen bemühen. Als erste wolle sie den Haushalt für das laufende Jahr aktualisieren. Die "Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens" (Gerb) sind zur Regierungsbildung auf die Unterstützung kleinerer Parteien angewiesen.

Ins Parlament werden nach den vorläufigen Teilergebnissen vier weitere Parteien einziehen, unter anderem die Partei der türkischen Minderheit DPS (13,31 Prozent) und die EU-feindliche, nationalistische Ataka (9,33 Prozent). Auch die rechte Blaue Koalition (6,73 Prozent) dürfte im Parlament vertreten sein. Sie gilt als möglicher Koalitionspartner der GERB-Partei.

Mit dieser Kräfteverteilung hätten die Wähler "eine Patt-Situation" verhindert, sagte der renommierte Soziologe Andrej Rajtschew. Staatspräsident Georgi Parwanow hatte schon vor langwierigen Regierungsverhandlungen gewarnt, da das Land damit Zeit für Anti-Krisen-Maßnahmen verlieren würde.

Mehr als zwei Drittel der rund 7,6 Millionen Einwohner des Landes machen die Ex-Kommunisten für die derzeitigen Probleme wie die ausufernde Kriminalität und die allgegenwärtige Korruption verantwortlich. Die Europäische Union verweigerte Bulgarien im vergangenen Jahr Millionen von Euro, weil die Regierung nicht genug gegen die Korruption unternommen hatte. Nach zwölf Jahren ständigen Wachstums hat die Wirtschaftskrise das EU-Neumitglied, das der Gemeinschaft zusammen mit Rumänien 2007 beitrat, in voller Härte getroffen.

Die Abstimmung war die erste Parlamentswahl nach dem EU-Beitritt des Landes im Jahr 2007. Die Wahlbeteiligung war mit 60,2 Prozent deutlich höher als bei der Europawahl vor einem Monat. In der benachbarten Türkei lag die Beteiligung unter den 120.000 Aussiedlern mit doppelter Staatsbürgerschaft sogar noch höher.

Zudem wurden Wähler aus der Türkei mit Bussen in die südöstliche bulgarische Region Kardschali gebracht. Der Chef der Blauen Koalition, Ex-Regierungschef Iwan Kostow, verurteilte dies als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten" Bulgariens. Er forderte die EU auf, die Verhandlungen mit der Türkei zu unterbrechen.

Ebenso wie bei der Europawahl wurden Vorwürfe des Stimmenkaufs und der Wahlmanipulation bei der Parlamentswahl laut. Beobachter aus dem Europarat hatten am Vortag vor einem massiven Kauf von Wählerstimmen gewarnt und mit Sanktionen gedroht. Der Preis für eine Wählerstimme soll nach Medienberichten mit rund 100 Lewa (50 Euro) deutlich höher liegen als bei der Wahl zum EU-Parlament.

ZEIT ONLINE, rf, aku, dpa, Reuters

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