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Venezuelas Präsident Nicolas Maduro.

© REUTERS

Parlamentswahl in Venezuela: Präsident Maduro will Machterhalt - „mit welchen Mitteln auch immer“

Der charismatische Hugo Chavez hatte Venezuela noch im Griff. Seinem Nachfolger Nicolas Maduro könnte am Sonntag ein Wahlniederlage erleiden - und droht deswegen der Opposition.

Venezuelas Präsident Nicolas Maduro sieht sein Land vor einer Richtungsentscheidung über die Fortsetzung des sozialistischen Modells seines verstorbenen charismatischen Vorgängers Hugo Chavez. Das Land müsse bei der Parlamentswahl am Sonntag entscheiden, ob es den Weg weiter gehen wolle „oder ob wir in den Abgrund gehen“, sagte Maduro vor Hunderttausenden Anhängern in der Hauptstadt Caracas. Er warf der konservativen Opposition „Antipatriotismus und Korruption“ vor.

Laut Umfragen müssen die Sozialisten erstmals seit 16 Jahren in der Nationalversammlung den Verlust der Mehrheit fürchten, was Maduro zu Kompromissen zwingen würde. Die Opposition liegt in den Umfragen weit vorn. Maduro warf der Opposition vor, Politik nur für die Eliten zu machen und nicht für Bildung, Infrastruktur und neue Wohnungen zu kämpfen.

Aber Maduro hat auch Drohungen in Gepäck. „Auf zum Sieg“, rief er laut „Financial Times“ bei einer anderen Veranstaltung, „mit welchen Mitteln auch immer“. Und schloss an: „Versteht ihr, was es heißt, wenn ich sage, mit welchen Mitteln auch immer?“

Die Opposition versteht solche Drohungen als Aufruf an Getreue, die Opposition anzugreifen. Bereits zwei Menschen wurden bei oppositionellen Veranstaltungen erschossen. Viele sitzen im Gefängnis. Die Vereinten Nationen und mehrere Länder, darunter das befreundete links regierte Brasilien, haben an Maduro appelliert, sich zu mäßigen. Das einst relativ wohlhabende Land, das mehr Ölreserven als Saudi-Arabien hat, leidet unter der Misswirtschaft, die zu Engpässen an Lebensmitteln und Gütern des alltäglichen Lebens geführt hat.

Die unter Chávez noch schwache und zersplitterte Opposition hat sich mittlerweile im Bündnis MUD (Mesa de Unidad Democrática, Tisch der demokratischen Einheit) konsolidiert. Zu ihren bekanntesten Vertretern gehören der ehemalige Präsidentschaftskandidat Henrique Capriles und Leopoldo López, der im Zusammenhang mit regierungskritischen Protesten im vergangenen Jahr im Gefängnis sitzt.

Der Ökonom López von der rechtskonservativen Partei Voluntad Popular (Volkswille) wurde im September wegen Anstiftung zur Gewalt, Beschädigung von Privateigentum, Brandstiftung und Bildung einer kriminellen Vereinigung zu fast 14 Jahren Haft verurteilt. Bei den gewalttätigen Protesten gegen Maduro im vergangenen Jahr wurden 43 Menschen getötet und tausende Demonstranten verletzt.

Maduro ist weniger beliebt als der charismatische Chavez

López' Parteifreund Carlos Vecchio sprach sich Mitte November dafür aus, Maduro vor den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zu bringen. Maduro und acht anderen ranghohen Regierungsvertretern müsse wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" der Prozess gemacht werden. Bei dem Tribunal in Den Haag sei offiziell ein Antrag auf Vorermittlungen gestellt worden. Sollte die Opposition am Sonntag gewinnen, strebt sie für 2016 einen Volksentscheid zur Abwahl Maduros an.

Capriles, der Maduro 2013 bei der Präsidentschaftswahl unterlag, sagte der Nachrichtenagentur AFP, Venezuela sei eine "Zeitbombe". Er wolle keine "soziale Explosion" für sein Land, fügte der Politiker der rechts von der Mitte angesiedelten Partei Primero Justicia (PJ) hinzu. Notwendig sei eine "verfassungsmäßige, friedliche und demokratische Wahllösung". Capriles, der Wahlkampf betrieb, aber nicht selbst kandidierte, ging zugleich auf Distanz zu den militanten Maduro-Gegnern: "Wenn diese die Abstimmung zu erneuten Straßenprotesten nutzen wollen, werden wir uns ihnen nicht anschließen."

Staatschef Maduro führte den Wahlkampf für seine Vereinte Sozialistische Partei (PSUV) vorzugsweise in einer Trainingsjacke in den Landesfarben gelb, blau und rot. Seine Gegner bezeichnete er als "Marionetten des US-Imperialismus", die darauf aus seien, die Kontrolle über Venezuelas bedeutende Ölindustrie zu erringen. "Sie sagen, sie wollen den Wechsel. Aber das ist ein falscher Wechsel. Wir haben eine Million Wohnungen gebaut, sie keine einzige", sagte Maduro bei der Abschlusskundgebung in Caracas vor tausenden Anhängern.

Damit verwies er vor allem auf die Sozialprogramme unter Chávez. Doch Maduro ist auch bei den Armen weit weniger beliebt als sein charismatischer Vorgänger, und die Wirtschaftskrise hat Venezuela mittlerweile fest im Griff. Vor Supermärkten und Banken bilden sich lange Menschenschlangen. Auch Grundnahrungsmittel werden zunehmend knapp.

Die Atmosphäre ist von Nervosität geprägt. Durch die Erschießung des Oppositionspolitikers Luis Manuel Díaz von der Partei Acción Democrática (AD, Demokratische Aktion) bei einer Wahlkampfveranstaltung Ende November heizte sie sich weiter auf. Neben Díaz auf der Bühne stand López' Frau Lilian Tintori. Gegner der "Chávistas" bezichtigen "bewaffnete Banden" der Regierungspartei der Tat. Regierungsanhänger verweisen dagegen auf Diáz' angebliche Beziehungen zur Bau-Mafia und machen diese für den Anschlag verantwortlich.

Für die einfache Mehrheit im neuen Parlament, das am 5. Januar zusammentreten soll, genügen 84 Mandate. Die Opposition strebt eine qualifizierte Mehrheit von 101 beziehungsweise eine absolute Mehrheit von 112 Abgeordneten an. Damit könnte sie Verfassungsänderungen auf den Weg bringen oder ein Referendum über Maduros Verbleib im Amt. (dpa/AFP/Tsp)

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