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Legal an die Macht. In Alexandrien werden Wahlurnen abtransportiert. Aufgrund der hohen Wahlbeteiligung, die bei 70 Prozent liegen könnte, verzögerte sich die Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse. In Alexandrien haben die radikalen Islamisten der An-Nur-Partei besonders gut abgeschnitten.

© REUTERS

Parlamentswahl: Radikale Islamisten in Ägypten überraschend stark

Bei der ersten Runde der freien Parlamentswahlen in Ägypten schneiden die Salafisten gut ab - Wahlsieger sind die gemäßigten Muslimbrüder. Die Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo nehmen jedoch kein Ende.

Der erste Sieger sei das ägyptische Volk, kommentierte ein führendes Mitglied der islamistischen Muslimbrüder Runde eins der ägyptischen Parlamentswahlen bescheiden. Tatsächlich hat ihre Freiheits- und Gerechtigkeitspartei nach inoffiziellen Ergebnissen einen klaren Sieg eingefahren. Die offiziellen Resultate ließen wegen der hohen Wahlbeteiligung, die 70 Prozent erreichen könnte, auf sich warten. Veröffentlicht werden ohnehin nur die Ergebnisse der Einzelwahlkreise, wo am kommenden Montag und Dienstag Stichwahlen stattfinden. Die offiziellen Resultate der Partei-Listen sollen dagegen erst nach der dritten Wahlrunde im Januar bekannt gegeben werden.

Was aus den neun Provinzen durchgesickert ist, genügt aber, um ein eindeutiges Bild zu zeichnen. Fast überall liegt die Liste der Muslimbrüder an der Spitze, deren Organisation vor der Revolution noch verboten, aber geduldet war. Die Partei selbst rechnet mit einem Stimmenanteil von 40 Prozent. Auf Platz zwei stehen bisher die salafistische An Nur, die sehr viel stärker ist als im Vorfeld angenommen, oder teilweise der liberale Ägyptische Block, beide mit etwa 15 Prozent der Stimmen.

Zwei weitere liberale Listen und eine moderate islamische Partei folgen mit größerem Abstand. In der Provinz Port Said gelang es den Islamisten aller drei Strömungen – Salafisten, Muslimbrüder, sehr Moderate – sämtliche Sitze zu besetzen. Bei den liberalen Kräften fällt auf, dass die neue, vom Industriellen-Milliardär Naguib Sawiris gegründete Partei, die alten liberalen Parteien ausgestochen hat. Sie wird vor allem auch von Christen gewählt. Bei den Einzelwahlkreisen, wo die Persönlichkeit eine große Rolle spielt, gehen die Muslimbrüder ebenfalls davon aus, dass sie etwa die Hälfte gewinnen können.

Die großen Verlierer der Wahl

Außer im oberägyptischen Assiut spielen die „Feloul“, die Ehemaligen des alten Systems, kaum eine Rolle. Ihnen hat man mehr zugetraut. Es spricht nichts dagegen, die hohen Stimmengewinne der Islamisten auf das ganze Land hochzurechnen, denn in der ersten Runde haben die Großstädte gewählt, in denen die liberalen Kreise am stärksten sind. „Die große Frage ist jetzt, ob die Islamisten die Zweidrittelmehrheit im Parlament erreichen. Dann könnten sie die Verfassung ganz alleine bestimmen“, erklärt der Politologe Samer Solimann. Ob das eintreffen wird, lässt sich noch nicht sagen, denn auch auf der Liste der Muslimbrüder gibt es Kandidaten von linken und liberalen Parteien.

Seine Angst vor einem islamisch dominierten Parlament hat bereits der Chef der Tourismusindustrie geäußert. Elhamy al Zayat befürchtet, dass vor allem die Salafisten Einschränkungen im Badetourismus durchsetzen könnten, der 90 Prozent des Geschäfts ausmacht, indem etwa Alkohol oder das Tragen von Bikinis verboten würden. Damit wären Investitionen von 33 Milliarden Dollar gefährdet. Soliman glaubt dagegen nicht an eine verstärkte Polarisierung. „Auch bei den Salafisten ist eine Modernisierung zu beobachten. Auch unter ihnen gibt es eine junge Generation, die aufgeschlossener ist“, präzisiert der Professor an der Amerikanischen Universität in Kairo im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Er macht jetzt schon ganz klar die großen Verlierer in diesen ersten freien Wahlen nach dem Sturz von Hosni Mubarak aus. Das seien einmal die Frauen, die in diesem konservativen Parlament kaum vertreten seien, dann die Armen der Arbeiterklasse und schließlich vor allem die Revolutionsjugend. Die politische Karte des Parlaments reflektiere die tatsächliche politische Karte überhaupt nicht, was nichts anderes bedeute, als dass die Politik der Straße weitergehen werde, sagt der Politologe voraus.

Bereits für Freitag hat das Komitee zur Verteidigung der Ägyptischen Revolution, eine Dachorganisation, zu einer Demonstration gegen den regierenden Militärrat auf dem Tahrir-Platz in Kairo aufgerufen  – und auch eine Gegendemonstration zur Unterstützung der Generäle ist schon geplant.

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