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Parlamentswahl: Serben entscheiden sich für Europa

Die vorgezogenen Parlamentswahlen in Serbien haben nach ersten Hochrechnungen mit einer Sensation geendet: Das Europa-Lager unter Führung des serbischen Staatsoberhauptes Boris Tadic hat offenbar einen klaren Sieg errungen. Ob es allerdings für eine stabile Koalition reicht, ist unklar.

Das Pro-Europa-Lager in Serbien hat entgegen allen Vorhersagen bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am Sonntag einen sensationellen Sieg errungen. Der von Staatsoberhaupt Boris Tadic angeführte Europa-Block kam auf rund 39 Prozent der Stimmen, berichteten die Wahlforschungsgruppe "Cesid" und die einzelnen Parteien übereinstimmend in Belgrad. Demgegenüber mussten die ultranationalistischen Radikalen (SRS) mit rund 29 Prozent eine herbe Niederlage hinnehmen.

Während sich die Demokraten (DS) von Tadic zum Wahlsieger erklärten, erkannten die Radikalen ihre Niederlage an. "Serbien hat unmissverständlich für den europäischen Weg gestimmt", sagte der Staatspräsident vor jubelnden Anhängern in Belgrad. Dritter wurde laut Cesid die DSS-Partei von Regierungschef Vojislav Kostunica, die ebenfalls dem Anti-Europa-Lager zugerechnet wird. Sie erreichte rund zwölf Prozent.

Sozialisten weit abgeschlagen

Auf dem vierten Platz landeten mit rund acht Prozent die Sozialisten (SPS) des früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Den fünften Platz belegen die reformistischen Liberaldemokraten (LDP), die knapp die Fünf-Prozent-Hürde übersprangen. Die Tadic-DS könnte nach diesen Angaben gemeinsam mit der LDP und den Vertretern der nationalen Minderheiten im neuen Parlament auf eine hauchdünne Mehrheit von 126 der 250 Sitze kommen.

Die EU-Präsidentschaft begrüßte den klaren Sieg des Pro-Europa-Lagers in Serbien. Die Wahlen seien offensichtlich in freier und demokratischer Weise abgelaufen, erklärte die slowenische EU-Ratspräsidentschaft in Ljubljana. Sie äußerte die Hoffnung, dass schnell eine Regierung mit pro-europäischer Ausrichtung gebildet werde. Serbien und die EU hatten erst vor zwei Wochen ein in Belgrad lange umstrittenes Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichnet, das die Tür zu späteren Beitrittsverhandlungen öffnet. In Berlin sprach Gert Weisskirchen, außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, von einer "überzeugenden Wende hin nach Europa".

Tadic verspricht Kampf gegen Korruption

"Sieg, Sieg", skandierten die vor allem jungen Tadic-Anhänger vor der DS-Parteizentrale im Zentrum Belgrads. Tadic versprach, die neue Regierung werde den Kampf gegen die organisierte Kriminalität und die Korruption aufnehmen. Daneben werde sie die noch gesuchten vier Serben ausliefern, die vom UN-Kriegsverbrechertribunal angeklagt und seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten flüchtig sind. "Da gibt es kein Dilemma", sagte Tadic. Er werde sich für eine "schnelle Regierungsbildung" einsetzen, jedoch stünden "schwierige Verhandlungen" bevor.

Nur wenige Stunden nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses machte die LDP als unverzichtbarer Partner von Tadic bei der Regierungsbildung deutlich, wo die Knackpunkte bei den Regierungsverhandlungen liegen werden. Die LDP setze sich für die Unabhängigkeit der seit drei Monaten selbstständigen früheren serbischen Provinz Kosovo ein, sagte ein LDP-Sprecher. Demgegenüber betonte Tadic, das Hauptziel der neuen Regierung werde die Wiedereingliederung des Kosovos in den serbischen Staatsverband sein.

Der bisherige Regierungschef Kostunica lobte das Wahlergebnis seiner Partei, "das wir erwartet hatten". Ein neues Bündnis mit der Tadic-DS komme aber nicht in Frage. "Die Unterschiede zwischen uns und der DS sind unüberbrückbar", sagte der Nationalkonservative. Kostunica hatte im Streit um die EU-Politik seine Regierungskoalition mit der DS nach nur zehn Monaten platzen lassen und damit für vorgezogene Parlamentswahlen gesorgt. Er hatte durchsetzen wollen, dass die weitere Annäherung Serbiens an die EU gestoppt wird, weil die Mehrheit ihrer Mitglieder das Kosovo als selbstständigen Staat anerkannt hatte. Demgegenüber will das Tadic-Lager das Land trotz der Abspaltung des Kosovos in die EU führen. (dm/dpa)

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