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Politik: Parlamentswahlen in Serbien: "Wir sind nicht länger das schwarze Schaf der Familie"

"Lasst uns beenden, was wir begonnen haben", sagt Vesna Pesic und strahlt dabei: "Zum ersten Mal bin ich stolz auf mein Land, weil wir aus eigener Kraft die letzte Diktatur Europas beendet haben. Wir sind nicht länger das schwarze Schaf in der Familie.

"Lasst uns beenden, was wir begonnen haben", sagt Vesna Pesic und strahlt dabei: "Zum ersten Mal bin ich stolz auf mein Land, weil wir aus eigener Kraft die letzte Diktatur Europas beendet haben. Wir sind nicht länger das schwarze Schaf in der Familie." Vesna Pesic, die Bürgerrechtlerin, die sich seit acht Jahren dem gewaltfreien Kampf gegen das Milosevic-Regime verschrieben hat, steht kurz vor dem Ziel. An diesem Samstag, zwölf Wochen nach dem Sturz des jugoslawischen Staatschefs Slobodan Milosevic, werden die Serben zum ersten Mal in einer demokratischen Wahl über die Zukunft des Landes abstimmen. "Wir werden Milosevic ein weiteres Mal schlagen", prophezeit sie. Die Enttäuschung über die Fehlversuche von 1997 und 1998 hat sie überwunden. Damals war sie als Vorsitzende der "Bürgerallianz" an der Seite des designierten Ministerpräsidenten Zoran Djindjic und des wankelmütigen Monarchisten Vuk Draskovic durch die Straßen Belgrads gezogen. Das Zerwürfnis zwischen den beiden Führern hatte sie verbittern lassen; heute bekleidet sie kein politisches Amt mehr, sondern leitet ein Friedensinstitut.

Vesna Pesic warnt ihr Volk vor jedwedem selbstsicheren Siegestaumel. Für die Zukunft hat die 56-jährige Professorin zwei Szenarien entwickelt: Das russische Szenario, in dem ein starker Präsident mit Dekreten, Mafia und Korruption ohne demokratische Richtlinien regiert - und das demokratische, um die Wirtschaft aufzubauen und die Armut zu lindern. "Andernfalls können wir niemanden überzeugen, in unser Land zu investieren." Vertrauen im In- und Ausland herstellen - wie geht es mit mutmaßlichen Kriegsverbrechern im Parlament, die noch immer dem Nationalismus huldigen? Pesic ist zu allen Zugeständnissen auch an die internationale Gemeinschaft bereit: "Ich glaube nicht an Demokratie ohne Gerichte und Kriegsverbrechertribunale." Und was hält sie von den Unabhängigkeitsbestrebungen der südserbischen Provinz Kosovo und der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro? "Wir können alles akzeptieren, nur nicht Gewalt. Wir müssen die nationalen Fragen lösen und Grenzen anerkennen."

Claudia Lepping

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