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Parteien: CDU will sich neuen Schichten zuwenden

Die CDU analysiert ihre Verluste bei der Bundestagswahl und debattiert über Konsequenzen.

Von Robert Birnbaum

Berlin - „Wir sind keine konservative Partei“, diktiert Volker Kauder in das Mikrofon vor seiner Nase, „wir sind christliche Demokraten!“ Die Klausur, auf der der CDU-Vorstand die Bundestagswahl analysieren und über Konsequenzen debattieren will, hat am Donnerstagnachmittag noch nicht angefangen. Aber der Chef der CDU/CSU-Fraktion dürfte in Kurzform das Ergebnis vorweggenommen haben. Nach einer knappen Woche öffentlicher Diskussion, angestoßen durch eine Streitschrift von vier CDU-Landespolitikern, hat sich der Ruf nach mehr Konservativem in der Partei totgelaufen. Im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin geht es um die Zukunft. Und die Zukunft sieht die CDU-Führung um die Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel ganz eindeutig nicht in erster Linie bei den Bewahrern des Gestrigen.

In der „Berliner Erklärung“, die in der Klausurtagung an diesem Freitag beschlossen werden soll, wird deshalb zwar als ein Ziel genannt, Stammwähler weiter und verstärkt zu binden. Doch der Entwurf atmet zugleich die ganze Skepsis gegen alle Forderungen, dass sich die CDU zuerst und vor allem um ihr konservatives Kernklientel kümmern müsse. Das Bundestagsergebnis von 33,8 Prozent müsse „Ansporn“ für die CDU sein, besser zu werden, heißt es. Doch angesichts immer weniger strikt parteigebundener Wähler seien Ergebnisse über 40 Prozent immer schwieriger zu erreichen. Darum müsse die CDU neben den alten Getreuen neue Schichten ansprechen: Mittelständler, die zur FDP gewandert seien, Menschen, denen die Bewahrung der Schöpfung am Herzen liege – sprich: Grüne – und nicht zuletzt bisherige SPD-Wähler, „die vom Linksruck dieser Partei und der zunehmenden Bereitschaft zu Bündnissen mit der Linken enttäuscht sind“. Oder, um es mit der Parteichefin zu sagen: „Wir müssen um eine möglichst breite Wählerschaft ringen“, formuliert Angela Merkel im „Phoenix“-Interview.

Ernsthaften Widerspruch gegen diese Linie gibt es nicht. Nur Peter Müller, Regierungschef an der Saar, kündigt in der vorbereitenden Präsidiumssitzung an, dass er das Papier nicht mit trägt. Aber der Chef der ersten „Jamaika“-Landeskoalition der Republik stört sich gar nicht an der Kursbestimmung, sondern daran, dass in der Erklärung die in der Koalition vereinbarte Steuerreform bekräftigt wird. Als ihm CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zusagt, dass ein Hinweis auf die Schuldenbremse in das Papier eingefügt wird, ist Müller denn auch gleich wieder auf Linie.

Die wird zwar unterschiedlich intoniert, aber von keinem der CDU-Spitzenleute verlassen. Parteivize Christian Wulff nimmt die vier Vorkämpfer fürs Konservative ein bisschen in Schutz: „Ich empfehle jeden ernst zu nehmen, der etwas zu sagen hat.“ Denn „Flügelspiel“ sei auch für Sportmannschaften der Weg zum Erfolg, sofern es mit „Teamgeist“ gepaart sei. Auch Jürgen Rüttgers ist sehr für Teamspiel. Flügel dürften sich nicht gegeneinander stellen, sonst ende es wie bei der SPD: „So gräbt man sich das eigene Grab“, warnt der Nordrhein-Westfale.

Ausdrückliche Kritik an den Konservativen übernehmen in diesem Teamspiel ausgerechnet Konservative. „Die CDU muss die Volkspartei der Mitte bleiben“, sagt beispielsweise Ex-Minister Franz Josef Jung. „Sie wollen nicht wahrhaben, dass die Welt sich verändert“, ruft Wolfgang Schäuble sogar den Parteifreunden zu, die von der CDU ein scharf konservatives Profil einfordern. Wie groß der Bärendienst war, den das Quartett seiner Sache mit seiner Streitschrift selbst geleistet hat, zeigen auch die allseitigen Huldigungen für Merkel. Kein böses Wort über ihren inhaltsleeren Wahlkampf oder Führungsqualitäten. „Sie führt verschiedene Strömungen zusammen“, lobt Wulff.

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