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Parteien: Die fünfte Macht

Im Osten ist die Linke bereits die stärkste Parte. Nach den Wahlerfolgen in Bremen, Niedersachsen und Hessen scheint sie nun im Westen anzukommen. Experten prognostizieren der Linken auch für die Wahl in Hamburg eschs bis neun Prozent der Stimmen. Auf Bundesebene bedeutet das für Deutschland wohl endgültig den Schritt ins Fünfparteiensystem.

Berlin - Im Osten ist sie längst Volkspartei, dafür braucht es weder aktuelle Steuerhinterzieherskandale noch neue Belege für die Gleichzeitigkeit von Manager-Gier und Sozialabbau. In sämtlichen Parlamenten der neuen Länder ist „Die Linke“ eindrucksvoll vertreten, in Sachsen und Brandenburg ist sie mitgliederstärkste Partei. Sie gewinnt problemlos Direktmandate, stellt drei Landräte und in Thüringen womöglich bald sogar ihren ersten Ministerpräsidenten. Eine Erfolgsstory, die von Demoskopen nun noch das I-Tüpfelchen verpasst bekommen hat. Nach einer Allensbach-Umfrage liegt die Linkspartei in Ostdeutschland erstmals auch deutlich vor CDU und SPD. Knapp 30 Prozent der Befragten gäben ihr in der sogenannten Sonntagsfrage ihre Stimme, ermittelte das Institut. Die Union käme nur auf gut 26, die SPD auf 23 Prozent.

Der Zulauf im Osten hat mit vielem zu tun. Mit der hohen Arbeitslosigkeit in vielen Regionen selbstredend. Mit Frust und Ostalgie, der Enttäuschung der niemals in der gesamtdeutschen Republik Angekommenen. Mit der Bürgernähe und guten Vernetzung der Partei, die auf alte SED- Strukturen aufbauen konnte. Doch die eigentliche Bewährungsprobe für die Linkspartei lag immer dort, wo es diese Strukturen nicht gab. Wo man mit plumper Kapitalismuskritik nicht so einfach punkten konnte, weil die Menschen mit den Segnungen der sozialen Marktwirtschaft aufgewachsen sind. Wo aber die Wahlen bundespolitisch entschieden werden. Die Herausforderung lag im Westen.

Nun sieht es so aus, als ob auch die bestanden wäre. In den alten Ländern war man lange der Ansicht, das Problem werde sich mit dem Zusammenwachsen schon erledigen – schließlich war die PDS 1989 ja nahtlos aus der eigentlich doch diskreditierten SED hervorgegangen. Den Erfolg in Bremen konnten die etablierten Parteien auch noch als womöglich bedeutungslosen Ausrutscher verbuchen. Die Flächenstaaten Niedersachsen und Hessen jedoch sind ein anderes Kaliber. Dass die Linke nun auch dort mit 13,3 beziehungsweise 9,3 Prozent Fuß fassen konnte, markiert einen folgenschweren Einschnitt. Und die Hamburg-Wahl an diesem Sonntag wird die bundespolitische Relevanz der Linken ebenso zementieren wie den endgültigen Wechsel der Republik ins koalitionstechnisch komplizierte Fünfparteiensystem. Die Prognosen liegen bei sechs bis neun Prozent.

Im Rückblick war für den Westerfolg der SED-Nachfolger zweierlei grundlegend: die Gründung eines Vereins mit dem spröden Namen „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ im Jahr 2004 und die Bereitschaft des früheren SPD-Chefs Oskar Lafontaine, bei den Rebellen gegen die Reformagenda des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder mitzumischen. Ohne Lafontaine, so viel ist sicher, hätte die Linke im Westen, wenn überhaupt, nur weit zögerlicher Fuß gefasst.

Im Januar 2005 wurde der Verein zur Partei. Im Juni einigte sich die Westlinke namens WASG mit der Ostlinken namens PDS darauf, bei der Bundestagswahl nicht zu konkurrieren. Außerdem gesellte man dem Populisten Lafontaine den rhetorisch glänzenden früheren DDR-Anwalt Gregor Gysi als Spitzenkandidaten bei. Als Linkspartei.PDS schaffte das Doppel dann bundesweit 8,7 Prozent (25,3 Prozent im Osten) und zog mit 53 Abgeordneten in den Bundestag – als viertstärkste Kraft bereits. Vorher war die PDS nur mit zwei Abgeordneten vertreten gewesen. Und die Grünen hatten sie damit überholt, die kamen nur auf 51 Mandate.

Aus den Spitzenkandidaten wurden Fraktionschefs. Dieses Nebeneinander könne nicht gutgehen, prophezeiten damals die Auguren. Erstens der grundlegende Ossi-Wessi-Konflikt im Bündnis, zweitens das strotzende Selbstbewusstsein beider Hauptdarsteller. Doch es ging gut. Gysi und Lafontaine fochten nicht gegeneinander, sondern gegen die anderen, die sie und ihre Mitstreiter als Parias behandelten und auszugrenzen versuchten. Das schweißt zusammen.

Die Parteiverschweißung folgte im vergangenen Jahr – indem die WASG der Linkspartei beitrat. Abgesegnet per Urabstimmung wurde die Fusion im Juni vollzogen. Von nun an hieß die Linkspartei „Die Linke“, aber sie war immer noch Ostpartei. 60 000 Mitglieder stellten die neuen Länder, aus dem Westen kamen gerade mal 11 500. Und die waren nicht eben die Zuverlässigsten – hinsichtlich ihrer politischen Vita ebenso wie mit Blick auf ihre Zahlungsmoral. Ein Chaotenhaufen, schimpften die meist deutlich disziplinierteren Ostlinken.

Profitieren freilich konnten sie von der Verankerung vieler neuer Parteifreunde im westdeutschen Gewerkschaftsmilieu. Dort fallen die sozialpolitischen Verdikte und Verheißungen der Linkspartei zunehmend auf fruchtbaren Boden. Im Mindestlohn-Gerangel und dem Frust über die Rente mit 67 sehnen sich Sekretäre und Betriebsräte offenbar vor allem nach kämpferischer Positionierung. Hinzu kommt die wachsende Zahl von Protestwählern – Verlierer der gesellschaftlichen Polarisierung, die sich von den etablierten Parteien nicht länger vertreten fühlen.

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