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Parteien: Freie Demokraten

FDP-Chef Westerwelle inszeniert seine Kränkung durch Angela Merkel – um sich von der Union zu lösen. Die Öffnung gegenüber neuen Bündnispartnern ist längst überfällig finden viele seiner Parteifreunde.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Als Guido Westerwelle am Montag nach der für seine Partei verlorenen Hamburg-Wahl vor die Kameras trat, herrschte im Thomas-Dehler-Haus in der Berliner Reinhardstraße einen Moment lang Verwirrung. Und zwar darüber, dass der FDP-Vorsitzende „enttäuscht“, ja sogar „bitter enttäuscht“, über einen politischen Vorgang von eigentlich schlichter Normalität war. Denn nichts anderes als normal ist es, wenn Parteien in Wahlkämpfen für sich und nicht für andere werben. Ein solches Verhalten allerdings wollte Westerwelle der CDU im Hamburger Wahlkampf nicht gestatten, er hatte offensichtlich von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel wenige Tage vor der Wahl ein öffentliches Bekenntnis für eine Koalition mit der FDP erwartet. Dessen Ausbleiben wertete Westerwelle nun am Tag nach der Wahl als Absage der CDU an das seit dem Bundestagswahlkampf 2005 gemeinsam mit der FDP geschmiedete Projekt des bürgerlichen schwarz-gelben Bündnisses.

Westerwelles theatralische Inszenierung einer Beleidigung durch die Duzfreundin Merkel ist allerdings weniger persönlich-politische Kränkung des liberalen Merkel-Freundes als vielmehr strategisches Machtkalkül des Parteichefs. Denn auch Westerwelle ist spätestens seit der Wahl in Hessen klar, dass die babylonische Selbstbindung seiner Partei an die Union im Bundestagswahlkampf 2009 mit hohem Risiko verbunden ist. Das Auftauchen der Linken in den Parlamenten und das Öffnen der Grünen für Koalitionen mit der CDU hinterlässt die Frage: Wozu ist die FDP noch zu gebrauchen, wenn es für Schwarz-Gelb nicht reichen sollte?

Merkels Verzicht auf eine Wahlempfehlung zugunsten von Schwarz-Gelb stellte für Westerwelle einen willkommenen Anlass dar, nun seinerseits eigene strategische Wege zu gehen. Und sich – in aller Öffentlichkeit – geschickt aus einem Zweierbündnis zu lösen, dessen Unzertrennlichkeit zum Schluss ohnehin nur noch er selbst beteuert hatte.

Im Vorstand der FDP, der traditionell montags nach Landtagswahlen im Anschluss an die Präsidiumssitzung tagt, nahm man die Botschaft des Partei- und Fraktionschefs „dankbar“ auf, wie sich Teilnehmer erinnern. Er sei damit einem schon lange bestehenden Wunsch der FDP-Führung nach Öffnung der Partei entgegengekommen.

Wie weit und wohin sich die FDP nun öffnen wird, ist derzeit noch nicht klar abzusehen. Westerwelle will dies in einer Diskussion ausloten, die nun sehr rasch beginnen und sich bis in den Herbst hinziehen soll. Allerdings gab der Parteichef bereits einen Hinweis. „An unserem eigenen Programm müssen wir uns orientieren“, sagte er. Und das ist bekanntlich unter seiner eigenen Führung in den letzten Jahren sehr stark wirtschaftsliberal geprägt worden. Manche in der FDP sagen sogar, es sei auf „Schwarz-Gelb getrimmt“. Man sollte deshalb nicht allzu viel Distanz von CDU und FDP erwarten. Der Mann, der sich selbst als einzig nichtlinken Politiker in Deutschland bezeichnet, wird in den kommenden Monaten nicht zum Sozialliberalen mutieren.

Allerdings werden bereits erste Vorbereitungen dafür getroffen, dass eigene Programm so zu schärfen, dass die liberale Botschaft vom „bürgerlichen Korrektiv“ mehrere Machtoptionen öffnet: Mit den Konservativen und mit Grünen und Sozialdemokraten. Das „Steuersystem aus einem Guss“, das nun bald das bekannte „einfache, gerechte und niedrige Steuersystem“ der FDP ablösen soll, ist ein erster konkreter Schritt dahin. Westerwelle spricht vom „lediglich Aktualisieren“ des alten Steuersystems, als ob es hierbei um eine rein mathematische Überarbeitung ginge. Davon, das System „sozial anzupassen“, spricht man jedoch schon im Parteivorstand.

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