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Hubert Aiwanger steht an der Spitze der Freien Wähler in Bayern. Nun hat er sich vorgenommen, aus der kommunalen Wählervereinigung eine bundesweit wirksame Partei zu machen. Das gefällt nicht allen.

© dapd

Parteien: Freie Wähler: Ein-Mann-Show mit Risiko

Der Multi-Vorsitzende Aiwanger leitet die Geschicke der Freien Wähler in Bayern und im Bund. Doch die Organisation steht vor der Zerreißprobe.

Von Hubert Aiwanger wird er geschnitten. Mit dem Freien-Wähler-Chef kommt es höchstens noch zum Mini-Smalltalk. Dabei war Josef Graubmann aus dem bayerischen Eichstätt bis vor kurzem ein Hoffnungsträger der Freien Wähler (FW). 28 Jahre alt, ein politisches Talent, verwurzelt in der Organisation, die sich auf kommunale Belange beschränkte und viele Gemeinderäte und Bürgermeister stellt. „Ich war ein Manager des Wahlkampfes 2008 für den bayerischen Landtag“, erzählt er. Mit 10,2 Prozent zog die Gruppierung ins Maximilianeum ein; die CSU erlitt eine historische Niederlage.

Graubmann stand den Jungen Freien Wählern (JWF) vor – bis zum 24. Januar. Da trat der gesamte Vorstand zurück und teilte mit, dass „der gewählte Weg zur Umstrukturierung zu einer Partei“ für ihn „keine Grundlage für eine weitere Zukunft“ mehr sei. „Bei mir steckt Herzblut drin“, sagt Josef Graubmann. „Aber Hubert Aiwanger will die FW auf Biegen und Brechen auch im Bund etablieren. Seine Motivation ist mir nicht klar.“

In Bayern nehmen die Freien Wähler die Position der potenziellen Königsmacher ein: Nach der Landtagswahl im Herbst 2013 könnte es an ihnen liegen, ob sie im Bündnis mit Christian Udes SPD und den Grünen die CSU aus der Staatskanzlei drängen, oder doch eine Koalition mit der CSU eingehen. Alle Macht ist auf den 41-jährigen Aiwanger zentriert, den Bauernsohn und studierten Landwirt aus dem niederbayerischen Rahstorf. Im Freistaat ist er als Landes- und Fraktionsvorsitzender die Nummer eins der FW, deutschlandweit steht er der 2010 gegründeten „Bundesvereinigung Freie Wähler“ vor.

Nach sehr guten Umfragewerten für das Dreier-Bündnis ist die Stimmung allerdings gerade gedämpft – wegen der aufsteigenden Piraten. Nach einer Emnid-Erhebung im Auftrag der CSU kommen SPD, Grüne und Freie Wähler derzeit nur noch auf 39 Prozent. Die CSU steht demnach bei 46 Prozent, die Piraten bei acht.

Intern brodelt es bei den Freien Wählern. Partei wollten sie eigentlich nie werden. Doch nun will Hubert Aiwanger 2013 auch im Bund kandidieren. Parallel dazu steht die knifflige Ude-Frage an. Und mit den Freien Wählern in Baden-Württemberg, dem eigentlichen FW-Stammland, herrscht ein erbitterter Dauerkonflikt.

Entspannt sitzt Hubert Aiwanger in einem Besprechungszimmer der FW im bayerischen Landtag. Hat die SPD- Lichtgestalt Christian Ude ihn als neuen Duz- Freund politisch schon eingefangen? „Ich kann mit einem Menschen ein gutes persönliches Verhältnis haben, aber lasse mich nicht einwickeln“, sagt er dem Tagesspiegel. „Doch man kommt mit ihm schnell aufs Wesentliche, man kann Themen abstimmen und sich auf die Aussagen verlassen.“ Eine Zusammenarbeit könne er sich „durchaus vorstellen“.

Und die CSU? Diese Tür will er nicht ganz zuschlagen. Die „Orangenen“ nennen sich die Freien Wähler, und Aiwanger sagt: „Es könnte auch eine schwarz-orangene Konstellation geben. Aber von Seiten der CSU ist derzeit nicht erkennbar, dass sie mit uns ernsthaft Themen umsetzen will.“ Von den Christsozialen wurden sie nach ihrem Einzug ins Parlament verspottet und verhöhnt – als Polit-Amateure, als chaotischer Haufen. Hubert Aiwanger wurde zum Bauerntölpel abgestempelt, zum „Opflsoft“, wie er in seinem niederbayerischen Dialekt das Wort Apfelsaft eben ausspricht.

Mit dem ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel haben die FW ihren bisher prominentesten Mitstreiter an Land gezogen. Er argumentiert frontal gegen die Euro-Rettungsfonds. „Das ist ein Alleinstellungsmerkmal für uns“, sagt Aiwanger. Manch Freiem Wähler indes stößt Henkel sauer auf. „Gibt er der Partei einen Anti-Europakurs vor“, fragt ein Mandatsträger. Auch wird innerhalb der FW bezweifelt, dass sie weitere wichtige Politikfelder abdecken kann – etwa die Verteidigungs- oder die Asylpolitik.

Wegen der Bundes-Ambitionen ist Aiwanger vor allem mit den baden-württembergischen Freien Wählern im Streit. Die wandten sich strikt gegen die Kandidatur für die Stuttgarter Landtagswahl 2011. „Man wollte Schwarz-Gelb nicht gefährden“, spottet Aiwanger, „und hat dafür Grün-Rot bekommen.“ Die starke Südwest-FW schießt zurück: Scharf distanziert sie sich „vom Vorhaben der Bundespartei der Freien Wähler“. Auch in Bayern wollen manche Mitglieder Hubert Aiwanger nicht folgen. Der Bezirk Bayerisch- Schwaben etwa hält nichts von der Bundes-Ausrichtung. Viele Oberbayern sind skeptisch. „Wir können bei der Bundestagswahl brutal auf die Schnauze fallen“, sagt ein Mandatsträger. Dann ist es gut möglich, dass sich auch in Bayern das Blatt wendet, wo am gleichen Tag wie im Bund oder kurz darauf gewählt wird. Brechen die Freien Wähler aber im Freistaat ein, so heißt es, „wird Hubert Aiwanger die Führungsfrage gestellt“.

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