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Parteienrechtler über Fall Edathy: „Schaden für SPD muss schwer sein“

Parteienrechtler Roßner im Tagesspiegel-Interview über Parteiwerte und Sebastian Edathy.

Herr Roßner, die SPD-Spitze begründet das Parteiordnungsverfahren gegen Sebastian Edathy mit seinem unmoralischen Verhalten. Ist das ein Grund für Sanktionen?

Das Parteiengesetz lässt das zu. Parteien können strengere Regeln aufstellen, als sie etwa im Strafrecht gelten. Sie können sich daher eigene Regeln des richtigen Verhaltens für ihre Mitglieder geben. Parteien sind Weltanschauungsgemeinschaften, die miteinander im Wettbewerb stehen und unterscheidbar sein müssen. Deshalb verfügen sie über Instrumente, die gewissermaßen ihre Gesinnungsreinheit sichern sollen. Dies ist auch für die Demokratie wichtig, denn Wähler müssen sich darauf verlassen können, dass eine Partei für bestimmte Werte steht.

Die SPD-Spitze sagt, das Verfahren sei ergebnisoffen. Ist das glaubwürdig?

Die SPD-Führung wird sich in dem Antrag gegen Edathy, den sie der Schiedskommission vorlegt, für eine bestimmte Sanktion entscheiden müssen, die sie anstrebt. Es gibt neben dem Ausschluss auch die Möglichkeit, die Rechte eines Mitglieds für eine bestimmte Zeit auszusetzen oder ihm eine Rüge zu erteilen.

Mit welcher Begründung könnte die SPD-Spitze einen Ausschluss beantragen?

Der Ausschluss ist das härteste Mittel in einem Parteiordnungsverfahren. Zwei Voraussetzungen fordert das Parteiengesetz, das den Rahmen für die Parteistatuten schafft: Das Mitglied muss vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei verstoßen haben. Und der Partei muss schwerer Schaden entstanden sein.

Edathy kaufte Fotos und Filme nackter Jungen. Verstößt das gegen SPD-Grundsätze?

Das wird das Schiedsgericht beurteilen. Ich erwarte, dass die SPD-Führung argumentieren wird, für die SPD sei die Achtung der Menschenwürde eines jeden Einzelnen Grundlage des politischen Handelns, sie setze sich für sexuelle Selbstbestimmung und den Schutz von Kindern ein. Und weiter: Wer Nacktbilder mit Minderjährigen herstelle, vertreibe oder kaufe, verstoße gegen diese Grundsätze.

Den Vertrauensverlust in der Koalition hat nicht Edathy heraufbeschworen, sondern Fraktionschef Oppermann. Wie will die SPD beweisen, dass ihr durch Edathy schwerer Schaden entstanden ist?

Hier liegt ein gewisses Problem. Zunächst: Schaden für eine Partei kann gerade auch dadurch entstehen, dass in der Öffentlichkeit ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen wird. Möglicherweise waren hochrangige SPD Funktionäre daran beteiligt, dass die Öffentlichkeit Kenntnis erlangte. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit der entstandene Schaden Edathy zugerechnet werden kann.

Kritiker sagen, wer Edathy aus moralischen Gründen ausschließt, müsste viele Mitglieder ausschließen, die sich auch mal fragwürdig verhalten. Ist er dran, weil er prominent ist?

Weil Edathy als Abgeordneter und engagierter Innenpolitiker im Rampenlicht stand, finden die Ermittlungen gegen ihn breites Interesse. Ein ähnliches Verhalten eines einfachen Parteimitglieds würde der SPD vermutlich weniger schaden. Insofern könnte ihm seine Prominenz tatsächlich zum Verhängnis werden.

Sebastian Roßner ist Rechtswissenschaftler an der Universität Düsseldorf. Sein Buch über Ordnungsverfahren und Parteiausschlüsse erscheint im März. Das Gespräch führte Hans Monath.

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