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Parteirebell: Poltergeist der SPD

Wolfgang Clement warnt beim Atomforum vor dem Ausstieg aus der Kernenergie und ärgert damit seine eigene Partei. Die SPD-Basis fordert immer lauter seinen Ausschluss.

Berlin - Mit früheren Parteioberen, die sich gegen Honorar als freie Publizisten betätigen, hat die Sozialdemokratie keine guten Erfahrungen gemacht. Von Oskar Lafontaine mussten sich die Genossen via „Bild“-Zeitung jahrelang als neoliberale Verräter beschimpfen lassen, bevor sich der einstige Vorsitzende endgültig in Richtung Linkspartei verabschiedete. Nun greift ein weiterer Ex an, immer öfter und von rechts: Wolfgang Clement, SPD-Vize und Bundeswirtschaftsminister a. D, sieht sich berufen, in Wort und Schrift gegen die angebliche Realitätsverweigerung seiner Partei anzugehen.

So warnte Clement als bezahlter Redner auf einer Tagung des deutschen Atomforums, dem Verband der Atomlobby, am Donnerstag vor der Energiepolitik der SPD und verlangte, den Atomausstieg als „Fehlentwicklung“ zu korrigieren. Bisher habe kein Land der Welt den Ausstieg aus der Kernenergie tatsächlich vollzogen; nahezu allerorten seien die Regierungen zu einer „Revision der Ausstiegspolitik“ gezwungen worden, weil sie die Kernenergie nicht hätten ersetzen können. Derartige Tatsachen würden von kernkraftkritischen Parteien in Deutschland jedoch nicht zur Kenntnis genommen, weil sie nicht ins Programm passten. In Wahrheit ließen sich Versorgungssicherheit und Klimaschutz aber nur durch ein „Viererpaket“ aus CO2-freien Kohlekraftwerken, Kernenergie, erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz sicherstellen. „Wer diesen Zusammenhang verneint oder verkennt, wird an der ökonomischen und ökologischen Wirklichkeit scheitern“, sagte Clement.

Der Auftritt war der zweite Affront gegenüber der SPD innerhalb weniger Wochen. Den ersten leistete sich der frühere Superminister für Wirtschaft und Arbeit, als er in seiner Kolumne für die „Welt am Sonntag“ vor der Wahl der hessischen SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti warnte. Deren Energiekonzept gefährde den Industriestandort Deutschland in seiner Substanz. „Deshalb wäge und wähle genau, wer Verantwortung für das Land zu vergeben hat, wem er sie anvertrauen kann und wem nicht“, schrieb Clement.

Die SPD reagierte so, wie sie es am besten kann, nämlich empört. Forderungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Peter Struck nach einem Parteiausschlussverfahren wurden zwar von SPD-Chef Beck verworfen, fanden aber an der Basis Gehör. So will der Ortsverein Bochum- Hamme am 21. Februar per Mitgliederentscheid einen Ausschluss Clements fordern und damit den SPD-Unterbezirk zur Anrufung eines Schiedsgerichts zwingen. Nach Einschätzung des stellvertretenden SPD-Fraktionschefs Ulrich Kelber könnte es dann eng für Clement werden: „Er hat zur Wahl des politischen Gegners aufgerufen. Da ist die Satzungslage eigentlich klar. Wenn Clement dabei bleibt, müsste ein Schiedsgericht auf Ausschluss entscheiden.“

Clement will aber nicht abschwören. „Ich bin Mitglied der SPD und habe auch die Absicht das zu bleiben“, sagte er nach seiner Rede. Seine Kolumne vor der Hessen-Wahl rechtfertigte er mit der Abwägung zwischen dem Wohl des Landes und dem der Partei. Im Übrigen werde er sich als Journalist und „Privatmensch“ auch künftig zu Wort melden, etwa zur Arbeitsmarktpolitik. Ob es da hilft, wenn etwa Umweltminister Sigmar Gabriel Clements Glaubwürdigkeit in Frage stellt? Clement habe den Atomausstieg jahrelang mitgetragen, erklärte der Minister. Man frage sich deshalb, mit welchem Meinungswandel er morgen überraschen werde. Die Antwort kann die SPD wahrscheinlich in Kürze nachlesen, verfasst von Wolfgang Clement.

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