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Parteitag: Die SPD ist zurück - Beck beweist Führungswillen

In Hamburg so scheint es, steht die SPD geschlossen hinter Kurt Beck: Die Wiederwahl an die Spitze der Partei gelang mit einem Traumergebnis, den furiosen Aufritt Münteferings hat Beck unbeschadet überstanden - jetzt knüpfen sich die Sozialdemokraten die Kanzlerin vor.

Der Vorsitzende blieb bis zum Schluss seinem Stil treu. "Gute Tage" habe die SPD erlebt, zog Kurt Beck schon am Morgen vor den Delegierten zufrieden Bilanz. Da waren die entscheidenden Messen gelesen und nur noch das neue Parteiprogramm zu erledigen. In gewohnt freundlichem Plauderton galoppierte er durch die ewigen SPD-Werte. Einen Seitenhieb leistete sich Beck nur an einer Stelle. Stolz klang durch, den demokratischen Sozialismus per Machtwort im neuen SPD-Manifest unübersehbar gerettet und es damit auch prominenten Bedenkenträgern gezeigt zu haben.

Zumindest für Beck hätte der Kongress kaum besser laufen können: Wiederwahl mit einem Traumergebnis. Mögliche Rivalen auf Distanz gehalten. Geräuschlos den Streit ums Arbeitslosengeld abgeräumt. Per Notbremse eine Blamage bei der Bahnreform abgewendet. Und fast ohne Widerspruch nickten die Delegierten den weiteren Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr ab. "König Kurt", der vor dem Parteitag zeitweise der Abdankung nahe zu stehen schien, hat auch nach Ansicht seiner Kritiker ein erstaunliches Comeback geschafft.

An der Parteispitze wie Willi Brandt

Auf eine ähnlich unangefochtene Führungsposition wie er sie derzeit an der Parteibasis hat, konnte sich zuletzt wohl nur Willy Brandt stützen. "Die SPD ist wieder da", rief Beck beim Parteiabend voller Tatendrang dem Anhang zu, so als ob die SPD sich gerade aus dem Urlaub zurückmeldet. Doch die warnende Botschaft richtete sich wohl eher an den Koalitionspartner und die Kanzlerin in Berlin. Die Rolle des Juniorpartners, die die Union der SPD mit einigem Geschick zugewiesen hat, wollen die Sozialdemokraten nicht mehr klaglos schlucken.

Die Arbeit im gemeinsamen Regierungsbündnis werde in den kommenden Wochen wohl nicht leichter werden, sagte Becks neue Stellvertreterin Andrea Nahles voraus. Und auch Frank-Walter Steinmeier, der andere neue Vize an Becks Seite, will nicht länger hinnehmen, dass Merkel sich zunehmend sein Terrain unter den Nagel reißt. Eine Schaufensterpolitik für die schnelle Schlagzeile hielt der Außenminister der Kanzlerin ohne große Rücksichtnahme vor. Ob der beschworene Aufbruch mehr als nur gefühlt ist, wird sich aber erst bei den wichtigen Landtagswahlen Anfang kommenden Jahres zeigen. Bis dahin könnte der neue Elan durch Manöver aus den eigenen Reihen wieder abgebremst werden.

Müntefering gibt gekonnt nach

Der Vizekanzler hat deutlich gemacht, dass mit ihm weiter zu rechnen ist. Mit seinem furiosen Auftritt nahm Franz Müntefering jedenfalls ein klein wenig Rache für die zurückliegenden Demütigungen durch den Parteichef. Ob die demonstrative Versöhnung auf der Parteitagsbühne wirklich hält, ist eher zweifelhaft. Der Grundsatzstreit zwischen beiden, wie sich die SPD im Blick auf 2009 positionieren soll, schwelt weiter. Ein Stück weit wurde bereits der anstehende Generationswechsel sichtbar. Für Müntefering war dies wohl der letzte SPD-Kongress in bisheriger Regierungsfunktion. Dies gilt auch für Fraktionschef Peter Struck, der mit dem Verzicht auf eine neue Vorstandskandidatur seinen Rückzug in zwei Jahren signalisierte.

Mit umjubelten Auftritten schob sich Umweltminister Sigmar Gabriel als möglicher Struck-Nachfolger spürbar nach vorn. Auch Steinmeier stärkte mit seinem Wahlergebnis und einer kämpferischen Rede seine Rolle als Reservekandidat für die Bundestagswahl, falls Beck nicht will. Danach sieht es aber momentan nicht aus. Auch wenn sich der Parteichef weiter in der Frage der Spitzenkandidatur bedeckt hält: er scheint zunehmend Gefallen daran zu finden, als Merkel-Herausforderer anzutreten. Schon in den kommenden Wochen will Beck zum Probelauf starten. Bis Ende kommenden Jahres, wenn die endgültige Entscheidung ansteht, will er in zahllosen Auftritten quer durch die Republik "nahe den Menschen" sein. (mit dpa)

Joachim Schucht

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