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CSU Parteitag

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Parteitag: Merkel erobert die CSU

Alle klatschen, niemand liest Zeitung: Auf dem Parteitag in Nürnberg erwähnt Angela Merkel die strittige Pendlerpauschale nur beiläufig - aber geschickt.

Von Robert Birnbaum

Die Sache mit den Zeugen Jehovas ist natürlich Zufall. Direkt neben dem CSU- Parteitag hat sich die Christensekte auf dem Nürnberger Messegelände eine Halle gemietet für einen Kongress. Die Zeugen Jehovas sind bekannt für ihren nimmer ermüdenden Bekehrungseifer. Auch das haben sie an diesem Freitag gemein mit der bayerischen Staatspartei. Alles in der Messehalle 7B darauf angelegt, Angela Merkel auf den rechten Weg zu führen. Sogar eine Podiumsdiskussion steht eigens auf dem Programm mit dem Steuerzahlerbund-Chef Karl Heinz Däke als wichtigstem Gast.

Und natürlich legt auch der CSU-Chef Erwin Huber in seinem Grußwort noch mal ausführlich dar, dass die CSU eine soziale Partei ist und dass eine Entlastung der Menschen von den hohen Spritpreisen wichtig ist und dass „für die CSU natürlich auch dazu die Pendlerpauschale gehört“. Man muss an dieser Stelle allerdings schon mal anmerken, dass der Applaus keineswegs frenetisch ausfällt. „Wir kämpfen mit Leidenschaft und Mut“, ruft Huber oben vom Rednerpult. Die da unten im Saal lassen jedoch jede Leidenschaft vermissen. Es liegt nicht nur an Hubers bescheidener Redekunst. Die da unten wirken, als warteten sie auf etwas.

Sie sollen nicht vergeblich warten. Als die Bundeskanzlerin ankommt, begleitet von Huber und Ministerpräsident Erwin Huber in den Saal einzieht, kann man schon ahnen: Wer auf so etwas wie den legendären „Zeitungsleseparteitag“ gewartet haben sollte, mit dem einst die CSU der CDU-Vorsitzenden Merkel zu verstehen gab, dass sie als Kanzlerkandidatin nicht die erste Wahl sei, der hat sich getäuscht. Niemand liest Zeitung, weil alle schon klatschen, als CSU-Vize Ingo Friedrich vom Podium „die beliebteste Frau Deutschlands“ begrüßt. Merkel schüttelt Hände links und Hände rechts, springt die Treppen zum Pult hoch. Dann passiert erst mal nichts. Dann sagt Merkel: „Dann kann ich ja anfangen.“ Und dann packt sie den Stier bei den Hörnern. Aber vorher krault sie ihn noch so intensiv zwischen den Ohren, dass der Stier gar nicht merkt, wie er überrumpelt wird.

Praktisch sieht das so aus, dass Merkel die Bayern lobt, dass die ganz begeistert sind von sich selbst. Mit Dank fängt es an – „Dank für unsere gute Zusammenarbeit – herzlichen Dank, lasst uns so weiter machen!“ Applaus. „Die Union in Deutschland kann nur stark sein, wenn die CSU in Bayern stark ist!“ Starker Applaus. So geht es weiter, bis zum Lob der bayerischen Finanzpolitik: „Ein Land, das nicht mehr auf Pump lebt – das ist die Bilanz von Bayern! Bayern ist da, wo der Bund hin will!“ Drunten in der Präsidiumsbank reißt es den Innenminister Joachim Hermann zu einem „Bravo!“ hin. Der Stier schließt die Augen vor Behagen. Da schlägt Merkel kurz und blitzschnell zu. „Aber wir im Bund, wir leben noch auf Pump“, sagt die Kanzlerin. Und dass der stabile Haushalt das Markenzeichen der Union sein müsse. Und dass sich CDU und CSU ja darin einig seien – „abgesehen von der kleinen Differenz bei der Pendlerpauschale“.

Das war’s. Beiläufig fällt das P-Wort, so beiläufig, dass den Christsozialen nicht mal Zeit bliebe, eine tadelnde Miene aufzusetzen, wenn sie das gewollt hätten. Dann geht das Lob weiter und die Beschwörung der Einheit der Union. Als Merkel endet: „Lasst uns gemeinsam kämpfen“, brandet eine Woge von Beifall auf. Wenig später applaudiert der ganze Parteitag im Stehen. Irgendwo von hinten ruft jemand „Zugabe!“ Merkel lächelt. Dies ist ihr Tag geworden.

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