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Parteiverbot: Offener Machtkampf in der Türkei

Regierungschef Erdogan hatte es wohl geahnt: Schon bevor das türkische Verfassungsgericht in Ankara am Montag entschied, den Verbotsantrag gegen seine Partei AKP anzunehmen und damit den Prozess zur Auflösung der bei weitem größten Partei im Land zu eröffnen, kritisierte der Premier die Richter.

„Das wird die Geschichte nicht verzeihen“, sagte Erdogan. Für Recep Tayyip Erdogan und seine Partei geht es jetzt ums politische Überleben. Für die Türkei geht es jedoch um mehr als nur um Erdogan. Der mit juristischen Mitteln ausgetragene Machtkampf in Ankara könnte die EU-Bewerbung des Landes in ernste Schwierigkeiten bringen.

Die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) sei zu einem Zentrum islamistischer Aktivitäten geworden, erklärte Chefankläger Abdurrahman Yalcinkaya in seiner Anklageschrift. Die Vorwürfe gegen die Erdogan-Partei, die sich seit ihrer Gründung vor sieben Jahren alle Mühe gibt, ihren Gegnern keine islamistischen Angriffsflächen zu bieten, sind nach Ansicht vieler Beobachter juristisch äußerst dünn. So zählt Yalcinkaya als Islamismusbeweis unter anderem auf, dass Erdogan einmal sagte, Türken, Kurden, Lasen und andere Volksgruppen in der Türkei seien alle vom selben Gott geschaffen. Auch der Berichterstatter des Gerichts äußerte Zweifel an den Vorwürfen.

Doch in dem Verfahren geht es nicht so sehr um juristische Sauberkeit, es geht um Politik. So will Yalcinkaya die AKP unter anderem deshalb verbieten, weil sie kürzlich im Parlament das Ende des Kopftuchverbots für Studentinnen durchsetzte. Die nationalistische Partei MHP, die im Parlament mit der AKP stimmte, bleibt aber ungeschoren.

Der Prozess ist der Versuch kemalistischer Erdogan-Gegner, die ungeliebte Partei des Ministerpräsidenten per Gericht zu stoppen, nachdem die AKP bei der Wahl im vergangenen Jahr fast 47 Prozent erhielt. Keine andere Partei ist landesweit so gut organisiert wie die AKP. Mit Erdogan hat sie zudem den bei weitem besten Redner der Türkei. Bei einem Verbot müsste Erdogan zurücktreten, die AKP würde aufgelöst, ihr Vermögen würde eingezogen.

Sollte die AKP am Ende des Prozesses tatsächlich verboten werden, könnten die EU-Beitrittsgespräche der Türkei abgebrochen werden, soll EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn bereits gewarnt haben. Derzeit sieht es aber nicht danach aus, als würde das den Erdogan-Gegnern in Ankara einen großen Schrecken einjagen.

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