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Genossenschaft. Der Linkspartei-Politiker Oskar Lafontaine (68) mit seiner 26 Jahre jüngeren Freundin Sahra Wagenknecht.

© dapd

Parteivorsitz der Linken: Wagenknecht lässt Lafontaine den Vortritt

Im Kampf um die Parteiführung der Linken mehren sich die Anzeichen für eine Kandidatur Oskar Lafontaines. Seine Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht lässt ihm offenbar den Vortritt.

Von Matthias Meisner

Für die Inszenierung seines nächsten Coups ist Oskar Lafontaine gewappnet. Am Montag, wenn die Parteigremien zur Nachlese der Saar-Wahl zusammenkommen, wird der prominenteste Politiker der Linkspartei in der Genossen-Runde fehlen. Der Spitzenkandidat will in Saarbrücken bleiben. Und zwar, wie in der Partei spekuliert wird, für einen Doppelschlag: Mit der Ankündigung, auf dem Bundesparteitag im Juni in Göttingen für den Vorsitz zu kandidieren und sich aus der Landespolitik zurückzuziehen, könnte er helfen, doch noch ein rot-rotes Bündnis im Saarland zu schmieden. Bisher hat die dortige SPD eine solche Koalitionsperspektive als „verantwortungslos“ bezeichnet, auch und gerade wegen Lafontaine.

Ob es so kommt? Bisher gibt es nur Indizien dafür, dass Lafontaine die offenen Führungsfragen in der Linkspartei bald durch seine Ansage klärt. Dazu gehört nicht nur, dass er sich am Montag in Berlin von Landeschef Rolf Linsler und Parteivize Heinz Bierbaum vertreten lässt. Auch Parteichef Klaus Ernst gibt dem Wahlsonntag Gewicht, indem er ihn in Saarbrücken verbringen will. Fraktionschef Gregor Gysi hatte kürzlich auf die innerparteiliche Verabredung hingewiesen, über Personal erst nach den Wahlen im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zu diskutieren. „Vielleicht“, fügte Gysi hinzu, werde die Debatte aber auch schon nach der Saar-Wahl beginnen.

Die glücklose, im Mai 2010 gewählte Doppelspitze mit Klaus Ernst und Gesine Lötzsch kann nicht auf eine Wiederwahl hoffen. Ernst würde jederzeit zugunsten seines Förderers Lafontaine zurücktreten. Etwas komplizierter verhält es sich mit seiner Co- Chefin Lötzsch. Sie hat im Oktober ihre neue Kandidatur erklärt. Nach Debatten über Kommunismus, Mauerbau und Fidel Castro geht ihre Anhängerschaft gegen null. Versucht wird, sie mit dem Leitungsposten der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung zu versorgen.

Lafontaines Rückkehr sei ein „langsam lauter werdendes Trommeln“, notiert die „Süddeutsche Zeitung“. Die „Junge Welt“ erwartet von der Saar-Wahl einen „Triumph der Linken auf Kosten der SPD“. Maßstab für „Lafontaines Machtoption“ sind dem Blatt zufolge nicht die 21 Prozent der Wahl 2009, sondern ein Resultat deutlich höher als die bundesweiten Umfragewerte zwischen sieben und neun Prozent. Offiziell bestätigt werden die Pläne des Ex-Parteichefs nicht. Lafontaine wolle sich nach dem Wahlkampf „erst mal ausruhen“ und werde sich „zu gegebener Zeit“ äußern, heißt es aus seinem Umfeld. Doch die Zeit drängt. Die drei Wochen zwischen NRW-Wahl und Parteitag gelten als zu kurz, um eine offene Feldschlacht in Göttingen abzuwenden.

Gesucht wird auch schon die Frau für die Doppelspitze. Zunächst gehandelte Anwärterinnen wie die frühere Berliner Sozialsenatorin Carola Bluhm oder die sachsen-anhaltinische Bundestagsabgeordnete Petra Sitte gelten als chancenlos – sie sind zu wenig bekannt. Für das Reformerlager im Rennen sind Parlamentsgeschäftsführerin Dagmar Enkelmann und Parteivize Katja Kipping. Beide haben Lafontaine immer wieder Paroli geboten. Mit ihrem selbstbewussten Auftreten könnten sie auf hohe Werte auf einem Bundesparteitag setzen. Enkelmann sagt „weder Ja noch Nein“ zu einer solchen Variante. Kipping äußert diplomatisch: „Das steht nicht oben auf der Liste der Dinge, die ich in den nächsten Jahren vorhabe.“

Kaum noch Chancen hat Dietmar Bartsch, neben Lötzsch bisher der einzige offizielle Bewerber. Der Ex-Bundesgeschäftsführer, in dieser Funktion vor zwei Jahren von Lafontaine geschasst, hätte die Partei zusammen mit Lafontaines Lebensgefährtin Sahra Wagenknecht führen können – wenn die denn nur gewollt hätte. Wagenknecht aber strebt an, bei nächster Gelegenheit Chefin der Bundestagsfraktion zu werden. Ein Posten, den sie „als eine der Galionsfiguren der Linken längst verdient“ hätte, wie die nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen meint. Ein erster Versuch Wagenknechts, das Amt zu bekommen, war vor Monaten gescheitert.

Was sie kann, hätte Wagenknecht zeigen können, wenn sie die Spitzenkandidatur bei der NRW-Landtagswahl am 13. Mai hätte übernehmen dürfen. In den Umfragen liegt die Linkspartei bei nur vier Prozent. „Nach einem Erfolg im größten Bundesland wäre ihr Mythos perfekt gewesen“, meint eine Spitzengenossin, „mit ihr wäre die Chance am besten gewesen.“ Auch Parteichef Ernst soll das mit Wagenknecht erörtert haben. Doch die prominente Kommunistin tat einen Teufel. Zur Begründung der Absage konnte sie verweisen auf das Landeswahlgesetz, laut dem Kandidaten mindestens drei Monate vor dem Wahltermin ihren Hauptwohnsitz in NRW haben müssen, Wagenknecht hat ihren aber gemeinsam mit Lafontaine in Saarbrücken. Die Zweitwohnung in Düsseldorf nutzt in diesem Falle nichts.

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