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Tagesspiegel-Kolumnistin Pascale Hugues liest und diskutiert im Tagesspiegel-Salon.

© Thilo Rückeis

Pascale Hugues über den neuesten Immobilientrend: Alle lieben den Zalon

Im Palais wohnen mitsamt einem Concierge: Der Berliner Immobilienmarkt klingt nach Paris und New York - und liefert den Volkspark.

Man muss beim Spazieren nur den Blick entlang der Fassaden in die Höhe schweifen lassen: Berlin hat sich verkleidet, um Glanz und Gloria der Kaiserzeit zu spielen. Diese Stadt hat sich aufgeputzt mit Kolonnaden, klassizistischen Linien, hellen Farben. „Eine echte Renaissance“ versprechen die Exposés der Immobilienmakler. Diese von Bomben zerstörte und nach dem Krieg mehr schlecht als recht zusammengeflickte Stadt, die voller Lücken und Brachen ist, häutet sich. Die Zeit der seelenlosen grauen Blöcke, die in den 60er Jahren hastig hochgezogen wurden, ist vorbei. Sie werden abgerissen und durch Palais ersetzt. Schluss mit den Plattenbauten, die wie Warzen in die Mitte eines Gesichts gepflanzt wurden. An ihrer Stelle errichten die Architekten des neuen Berlin Quartiers. Es ist kein Zufall, wenn die neuen Bauarten, die gerade in Berlin in Mode sind, französische Namen tragen. Wie so oft verleiht die Sprache Molières auch diesen Bauten ein gewisses Etwas, einen Hauch von Chic, Eleganz und Weltoffenheit.

Schöne, geistreiche Frauen, ein Steinway in der Ecke

Und dabei sind sie doch nur blasse Kopien der Originale, die sie zu imitieren vorgeben. Übrigens gibt es in den Wohnungen der neuen Palais keine Wohnzimmer. Ein Wohnzimmer! Wie bieder! Man stelle sich eine Sofagarnitur vor, dieses Triptychon der guten deutschen Stube, mit Fernseher auf einem kleinen Mahagonimöbel mit Deckchen, Grünpflanzen, Tüllvorhängen und Hochzeitsfoto! Nein, nein, es kommt gar nicht infrage, dass der elegante Maklerkatalog mit solch einem proletarischen Zimmer verschandelt wird. Im Palais und im Quartier heißt das Wohnzimmer Salon. Man muss das aussprechen wie Zalon, mit einem Z statt einem S am Anfang. Und schon kommen Ihnen edlere Bilder in den Sinn: gehobene Konversation, schöne, geistreiche Frauen, ein Steinway in der Ecke.
Einige Residenzen bieten einen Concierge-Service an. Der hat nichts zu tun mit dem etwas ungepflegten Concierge in Pantoffeln und Schürze in den Gebäuden aus der Haussmann-Ära. Der Concierge oder Doorman (je nachdem, ob man versucht, Paris oder New York zu kopieren) kniet sich nicht in niedere Arbeiten hinein. Das Treppenhaus zu wischen, in seiner Loge im Erdgeschoss einen Käfig mit Kanarienvögeln aufzustellen oder einen Katzenwurf großzuziehen, kommt für ihn nicht infrage. Diese Art Folklore gefällt den Neuberlinern nicht. Sie sind von woandersher gekommen und sie möchten gern was Besseres sein. Der Berliner Concierge, habe ich in einem Exposé gelesen, steht zu Diensten: um Ihnen morgens frische Croissants zu liefern oder sogar „um den passenden Ort für ein romantisches Abendessen zu suchen“. Wie bedürftig ist das denn? Stellen Sie sich das einmal vor, meine Damen! Sie sind zum Essen von einem Deppen eingeladen, der nicht in der Lage ist, selbst das Restaurant auszuwählen, wo er gerne mit Ihnen den Abend verbringen möchte! Ich würde die Hände davon lassen.

Auffallend und dezent?

„Die Historie modern interpretieren“, heißt es im Prospekt eines Stadtpalais am Ku’damm. Welche Überheblichkeit! Es lohnt sich übrigens, die Wortwahl der Immobilienmakler zu studieren, welche die Vorzüge dieser neuen Bauten preisen. Man braucht nicht viel Zeit dafür, weil der Wortschatz sehr begrenzt ist. Man achte auf die Orgie der Superlative, die ganz klar darauf hinweisen, dass die Neueigentümer von den gemeinen Berlinern schön getrennt bleiben: „exklusiv“, „luxuriös“, „veredelt“, „hochwertig“, „renommiert“, „auffallend dezent“ (auffallend dezent? Lassen Sie mich lachen! Ist das nicht ein Widerspruch in sich?) und natürlich der Klassiker, der fast überall zum Einsatz kommt: „repräsentativ“. Alle preisen auch das „Großstadt-Flair“. Einige versprechen einen „Privatgarten“ abseits der Picknickdecken und Hundehaufen. Wieder andere Makler lassen ihrem verborgenen Poesietalent freien Lauf und schwingen sich zu lyrischen Höhenflügen auf: „Traumhafte Parkanlage im Schatten blühender Bäume und sonnenverwöhnte Wiesen.“ Stellen Sie sich vor, im Park von Versailles zu sein? In den Gärten von Babylon? Eben nicht! Sie irren sich! Vom bescheidenen Volkspark ist hier die Rede.
Ein Palais nach dem anderen, aufgereiht wie die Perlen einer Kette am Rand der Straßen von Berlin. Sie sehen ein wenig aus wie Parasiten in dieser dicken, armen Stadt, die alles andere als schick ist. „Wir sind Gefangene des 19. Jahrhunderts“, hat einmal der britische Architekt Richard Rogers gesagt, als sich Berlin direkt nach der Vereinigung in den Wiederaufbau stürzte. Er meinte damit diese Sucht, die Vergangenheit nachzuahmen.
Aus dem Französischen übersetzt von Albrecht Meier.

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