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Olaf Scholz und Peter Altmaier im März bei der Ankündigung des großen Corona-Pakets.

© John MacDougallAFP

Patient Wirtschaft: Erst die „Bazooka“, dann der „Wumms“ – reichten die Corona-Hilfen?

Der Schutzschirm, den die Regierung aufspannte, war groß. Aber auch groß genug? Oder muss die Politik nachlegen? Eine Zwischenbilanz.

Die Notfallklinik war verblüffend schnell einsatzbereit im März. Kaum war das Gefahrenpotenzial des Coronavirus bekannt, kaum hatte man vor allem begriffen, welche Folgen der Lockdown in China für die globale Wirtschaft haben kann – schon saßen die Regierungsoberärzte Olaf Scholz und Peter Altmaier vor den Kameras und verkündeten, wie viel Geld zur Rettung des Patienten namens deutsche Wirtschaft in die Hand genommen würde.

Die erste Medizin war die "Bazooka". Später kam mit dem Konjunkturpaket der "Wumms" dazu. Man konnte der Koalition nicht vorwerfen, sie warte ab und tue zu wenig.

Ganz im Gegenteil. Schon kommen Fragen auf, ob es nicht ein wenig zu viel des Guten gewesen sei, was Schwarz-Rot da im vergangenen halben Jahr auf den Weg gebracht hat. Das wird auch die Etatdebatte prägen, die jetzt mit Blick auf 2021 beginnt. Denn der Haushaltsabschluss für 2020 und die Frage, in welchem Umfang Kreditermächtigungen zu tatsächlichen Schulden werden, auf welche Summe sich die Steuerausfälle und die direkten Kosten für Zuschüsse oder Maßnahmen im Konjunkturpaket belaufen, werden dann relevant.

Finanzminister Scholz (SPD) und Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus rechnen damit, dass auch 2021 wieder die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse genutzt werden muss. In der Opposition keimt aber schon länger der Verdacht, dass die Koalitionsparteien die Chance der Krise nutzen, um mehr Geld unters Volk zu bringen als nötig – oder zumindest für die falschen Zwecke.
Der Schutzschirm, der aufgespannt wurde, ist riesig – weit größer als in der Finanzkrise nach 2007. Der Garantierahmen für Kreditprogramme für Unternehmen beläuft sich auf 820 Milliarden Euro, unter anderem über den neu aufgelegten Wirtschaftsstabilisierungsfonds, der allein 600 Milliarden Euro Umfang hat.

Für Maßnahmen, die im Bundeshaushalt auch wirksam werden können, wurden 353 Milliarden Euro bereitgestellt. Das im Juni vorgestellte Konjunkturpaket macht allein 130 Milliarden Euro aus. Zur Finanzierung sind in diesem Jahr 218 Milliarden Euro an neuen Schulden beim Bund vorgesehen.

Soforthilfen: Sehr weiter Rahmen

Doch wie sieht die Zwischenbilanz aus? Reicht das knapp? Muss nachgelegt werden? Oder läuft es besser als gedacht? Einige Zahlen deuten zumindest an, dass die Bilanz am Ende vielleicht nicht ganz so drastisch ausfallen wird. Ein Programm ist schon seit Ende Mai abgeschlossen – die Soforthilfen für Kleinunternehmen und Solo-Selbständige. Dafür wurden 50 Milliarden Euro bereitgestellt.

Die Nachfrage war groß, doch das Volumen wurde bei weitem nicht ausgeschöpft, wie aus Aufstellungen des Wirtschaftsministeriums hervorgeht. Demnach wurden etwa 2,3 Millionen Anträge gestellt, von denen 1,9 Millionen bewilligt wurden. Ausgeschüttet wurden 14,3 Milliarden Euro. Da diese Zuschüsse zwar nicht zurückzuzahlen sind, aber als Einnahme versteuert werden müssen, fließt eine noch unbekannte Summe an den Staat zurück.

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Als Nachfolgeprogramm, ausgeweitet auf größere mittelständische Betriebe, wurden Überbrückungshilfen aufgelegt. Sie galten zunächst für die Monate Juni, Juli und August und sind jetzt von der Koalition verlängert worden. Bis Ende des laufenden Monats sind erst gut 40 Prozent des Antragsvolumens in Höhe von 759 Millionen Euro bewilligt worden – eine Summe, die sich auf etwa 43000 Antragsteller verteilt.

Bei den Richtigen angekommen?

Man sieht: Die Nachfrage ist auch hier keineswegs überbordend. Doch nimmt die Koalition für sich in Anspruch, dass das Geld vor allem dort ankommt, wo es am dringendsten gebraucht wird: Ein Drittel der Anträge kommt laut Wirtschaftsministerium aus dem Gastronomiesektor, weitere zehn Prozent von Reiseunternehmen. Im Schnitt kommt ein Antrag auf eine Fördersumme von 18000 Euro. Möglich waren bis zu 150000 Euro für die drei Monate im Sommer.

Auch bei den Bürgschaften sind die Befürchtungen nicht eingetreten. Bei den Bürgschaftsbanken wurden bislang etwa 4300 Unterstützungen beantragt, wovon mehr als drei Viertel genehmigt sind. Das Kreditvolumen ist überschaubar: 860 Millionen Euro. Im Großbürgschaftsprogramm wurden bisher neun Zusagen gemacht mit einem Gesamtvolumen von 2,7 Milliarden Euro. Offen sind noch zwei Anträge mit zusammen 565 Millionen Euro.

Im Rahmen des riesigen Wirtschaftsstabilisierungsfonds sind bisher nur zwei bewilligte Anträge im Umfang von etwa 6,2 Milliarden Euro aufgelaufen. Auch hier also bleibt die Nachfrage moderat.

KfW-Angebot gut genutzt

Relativ zügig werden die Hilfen der Kreditanstalt für Wiederaufbau ausgeschüttet (zu denen auch die Schnellkredite gehören): Von knapp 84000 Anträgen sind gut 80.000 bewilligt, mit einem Umfang von 45 Milliarden Euro. Auch hier nimmt die Regierung Zielgenauigkeit für sich in Anspruch: Über 90 Prozent der Kredite im KfW-Sonderprogramm – das sind die Liquiditätshilfen, die nicht gedeckelt sind – werden laut Wirtschaftsministerium im Segment bis 800.000 Euro vergeben, gehen also an kleine oder mittelgroße Firmen.

Neben höheren Ausgaben treiben vor allem die Einnahmeausfälle die Neuverschuldung in die Höhe. Ein Steuerminus von 66 Milliarden Euro hat Scholz im zweiten Nachtragsetat für das laufende Jahr eingeplant – davon 15 Milliarden bei der Umsatzsteuer, die zur Ankurbelung der Konjunktur bis Jahresende gesenkt wurde. Dazu kommen Steuerstundungen und Steuerentlastungen für Unternehmen und Selbständige.

Bis Ende Juli belief sich das Minus im Bundesetat auf knapp 22 Milliarden Euro. Hier besteht also die Aussicht, dass der einkalkulierte Einbruch am Ende nicht ganz so schlimm sein wird – denn die Indikatoren für die Wirtschaft zeigen nach oben.

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